Allgemeine Zeitung Mainz: Aufräumen - und zwar flott (zur Börse)
Archivmeldung vom 11.08.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.08.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt155 Milliarden Euro in 24 Stunden, allein die Größenordnung der Hilfsaktion der Europäischen Zentralbank löst Panik aus, statt für Ruhe und Gelassenheit zu sorgen. So richtig, weil konsequent die Währungshüter gehandelt haben, so sehr schürt ihr Griff in den Tresor die Angst, dass die Katastrophe, die sich auf dem amerikanischen Immobilienmarkt anbahnt, noch weit größer sein könnte als jetzt schon absehbar.
Dreh- und Angelpunkt der Hysterie ist
aktuell das Unvermögen, verlässlich festzustellen, wer unsichere
US-Kredite in seinem Portfolio hat und wer nicht. Jeder schaut
hierzulande, aber längst nicht nur bei uns, misstrauisch auf den
anderen. Wer sich gestern noch vertrauensvoll Geld lieh, grüßt,
überspitzt formuliert, den anderen heute nicht mehr. Die
milliardenschweren Geschäfte, die die im Verhältnis winzige IKB-Bank,
offenbar ohne jede wirksame Kontrolle, tätigen konnte, sprechen
Bände. Dem Bankenpool unter Federführung der staatseigenen
Kreditanstalt für Wiederaufbau hat sich nahezu die gesamte
Kreditwirtschaft angeschlossen, wenn auch mit einem Zähneknirschen,
das europaweit zu vernehmen ist. Niemand weiß heute aber, ob das
reicht. Denn welches Ausmaß die Immobilienkrise in den USA haben
wird, 50, 100, gar 300 Milliarden Dollar, ist längst nicht abzusehen.
Immerhin weiß man jetzt aber, warum sich eigentlich kreuzbrave
deutsche Kreditinstitute auf solche Abenteuer eingelassen haben.
US-Banken haben über Jahre ohne jede Bonitätsprüfung Kredite
vergeben, sie dann schnell an Investoren weitergereicht. Die haben
daraus ertragsattraktive Pakete geschnürt und an den Kapitalmarkt
gebracht. Für den Käufer aus Übersee war nicht so ohne weiteres
ersichtlich, dass in der Ware eine Menge faule Eier steckten. Das mag
als Erklärung taugen, spricht die Verantwortlichen aber nicht frei.
Wer solche Engagements besitzt, wird diese wohl abschreiben müssen.
Da wird es Ende des Jahres bei vielen Banken eine Menge lange
Gesichter geben, denn solche Säuberungsaktionen kosten reichlich
Gewinn. Auch global gesehen hilft jetzt weder lamentieren noch
wegducken. So wie die EZB konsequent gehandelt hat, muss auch die
US-Notenbank beherzter als bisher eingreifen. Die 44 Milliarden
Dollar, mit denen sie am Donnerstag und Freitag Liquidität zu
schaffen versuchte, reichen längst nicht aus. Aufräumen im eigenen
Haus ist angesagt, und zwar flott.
Quelle: Pressemitteilung Allgemeine Zeitung Mainz