Neues Deutschland: zur deutschen Atom-Debatte
Archivmeldung vom 05.04.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAls sich in den 70er Jahren in Westdeutschland die Auseinandersetzungen um die Atomkraft zuspitzten, fuhr die Kernenergie-Lobby ein Totschlagargument auf: »Die Lichter gehen aus!« Gut drei Jahrzehnte später gibt man sich weniger plump, aber die Warnung vor eventuellen Stromlücken in Süddeutschland weist in eine ähnliche Richtung.
Die seit gestern tagende Töpfer-Kommission sollte sich davon genauso wenig beeindrucken lassen wie einst die AKW-Gegner. Zum einen ist die Behauptung des Branchenverbands der Energiekonzerne, Atomstromimporte aus Frankreich sowie Tschechien hätten zuletzt stark zugenommen, kaum überprüfbar. Zum anderen wären etwaige Probleme in Baden-Württemberg und Bayern darauf zurückzuführen, dass deren konservative Landesregierungen den Ausbau der Erneuerbaren massiv behindert haben. Daher müsste die Kommission ethisch begründen, warum aus der Merkel-Stanze von der »Energiewende« ein Langfristkonzept mit konkreten politischen Schritten werden muss. Und sie müsste sich entgegen ihrem Auftrag mit der Frage beschäftigen, ob der Umstieg auf sauberen Strom und Energieeffizienz mit dem bisherigen Wachstumsmodell der Industriegesellschaften kompatibel wäre. Wie gesagt: Es geht um langen Atem, nicht um Panikreaktionen. Eine Sofort-Stilllegung aller AKW in Deutschland, die tatsächlich Versorgungsprobleme schaffen dürfte, wäre da nur Wasser auf die Meiler der Atomlobby.
Quelle: Neues Deutschland