Berliner Morgenpost: Berlin hat wieder gezeigt, was es kann
Archivmeldung vom 24.08.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittUnd was haben wir nun davon, wir hier in Berlin? Bleibt etwas nach von dieser Leichtathletik-Weltmeisterschaft, die, anders als ihre große Fußball-Schwester, doch eher leise daherkam, die einen nicht singend und hupend und lautstark überwältigte wie das alte Sommermärchen, sondern sich still und leise, aber trotzdem immer ganz vergnügt entdecken lassen wollte.
Sehr fröhlich sah sie aus, wenn man ihr nur ein wenig näher kam und nicht davon ausging, sie würde einen von zu Hause abholen. Doch selbst da, fernsehentfernt im Sofa, wirkte sie sehr charmant und uneitel und bodenständig. Ihre Typen lebenslustig, aber nur selten so überdreht wie Usain Bolt, bei dem man das ja verstehen kann. Wie, kurzer Ausflug, wären wir wohl drauf, wenn wir Hundertmeterweltrekorde nach Belieben laufen könnten? Wenn uns alle Welt zu Füßen läge, um uns zugleich zweifelnd in die Nasenlöcher zu schauen: Geht das denn wohl mit rechten Dingen zu? Das Thema Doping schwingt inzwischen immer mit, wenn sich Einzelsportler miteinander messen, Hochleistung abrufen und jederzeit Angst haben müssen, dass es doch nicht reicht, trotz der ganzen elenden Quälerei und Schufterei, dem Einerlei des Einzelkampfs. So müssen sie ja alle auch ein wenig verrückt sein, sich derart zu binden an einen Speer, einen Diskus oder eine Landung im feuchten Sand. Das wird uns nicht verlassen, dass es da immer einen gibt, der versucht, die anderen übers Ohr zu hauen, der sich päppelt mit Mittelchen aus Dr.Frankensteins Apothekenschrank. Diese leise Gewissheit, dass irgendwas schon dran sein muss am schlechten Ruf vieler Hochleister, hat unseren Traum bei der WM 2009 - noch - nicht zerstört. Kein großer Sieger dieser Tage, der im Nachhinein zum großen Sünder mutiert wäre. Aber selbst jetzt, am letzten Tag der schönen Spiele, schwingt der leise Zweifel weiter: Vielleicht kommt da ja noch was nach. Dopingfahnder sind ziemlich zäh mittlerweile. Wir wissen also nicht, ob diese Weltmeisterschaft wirklich einigermaßen sauber war, ob jeder Medaillengewinner zu Recht bejubelt wurde. Aber wir wissen dennoch, dass wir Wunderbares hinter uns haben. Tage, an denen Berlin wieder einmal gezeigt hat, dass es so was kann. Ohne zu viel Pomp, ohne unangemessenen Aufwand, unangestrengt, sogar die S-Bahn fuhr und fuhr und fuhr. Sehr zuverlässig, manchmal wurde es eng, aber unterm Strich: Nicht schlecht angesichts der üblen Vorgeschichte. Lernen wir noch was? Ja klar, dass es eben noch jede Menge anderen Sport gibt als immer nur Fußball. Und dass diese Sportarten eigentlich auch mehr Zuschauer verdient hätten. Dass man im Stadion fröhlich feiern kann auch ohne zu viel Pils und großes Gegröle. Dass ein Stadion ganz leise sein kann, wenn Ariane Friedrich den Finger an die Lippen hält. Dass man sogar ein albernes Maskottchen ins Herz schließen kann. Berlino, keine Frage, hat eine ganz große Medaille verdient. Also, Fazit: Es lohnt sich allemal, große Sportereignisse in dieser Stadt auszurichten. Das ist nicht neu, aber schön, dass es sich bestätigt hat. Bis zum nächsten Mal, Berlin!
Quelle: Berliner Morgenpost