Rheinische Post: Nationale Empörung
Archivmeldung vom 19.01.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittBoykott-Aufrufe kennt man sonst nur aus den Ecken der Gesellschaft. Aber wenn sich sogar Ministerpräsidenten und Teile des ThyssenKrupp-Kapitals für einen Nokia-Boykott aussprechen und die Kanzlerin dazu verständnisvoll nickt, darf man wohl von nationaler Empörung sprechen.
Die Vorstellung, dass neben den Parteien und der Wirtschaft endlich auch einmal der gebündelte Verbraucher-Wille machtvoll Politik betreibt, hat ihren Reiz. Viel zu duldsam nehmen wir Fleischskandale, importierte Kinderarbeit und Kartellabsprachen hin. Was schade ist. Denn mit unserem oft gedankenlosen Konsum verzichten wir auf die Möglichkeit, per Kaufentscheidung abzustimmen. Ein Käuferstreik gegen Nokia wäre auch gelebte Demokratie. Aber anders als die Fleischmafia verstößt Nokia nicht gegen Gesetze. Erst recht darf sich der Zorn nicht gegen die Kunden richten, denn die haben die Fabrik nicht dicht gemacht. Auch eine Käufer-Demokratie muss Andersdenkende und sogar Nichtdenkende aushalten. Also was nun. Boykott oder nicht? Es ist wie bei einer Wahl: Das muss jeder selber wissen. Aber es wäre schon toll, wenn die Nokia-Käufer sich ihres "Trotzdem" wenigstens bewusst wären.
Quelle: Rheinische Post (von Thomas Reisener)