WAZ: Macht-Politik: Kohlestiftung und die Rolle Rüttgers'
Archivmeldung vom 26.04.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittKohlerunden und kein Ende. Drei Monate nach dem beschlossenen Ausstieg aus den Steinkohlesubventionen dreht sich nun alles ums Personal. Wird Werner Müller Chef der Kohlestiftung oder bleibt der ehemalige Bundeswirtschaftsminister, was er ist: Konzern-Chef. Im Hintergrund ziehen und zerren sie bis in die höchsten politischen Kreise an den Strippen. Ein kleiner Spaziergang durch das Interessen-Gestrüpp in der Causa Müller.
Was Jürgen Rüttgers will: Der NRW-Ministerpräsident will bei der
Landtagswahl 2010 als Mister Strukturwandel auf einem roten Teppich
in den glitzernden Bau eines Dax-Konzerns in Essen marschieren. Am
schönsten marschiert es sich alleine. Ein Werner Müller als
Stiftungsvorsitzender würfe lange Schatten auf den Teppich.
Was Rüttgers nicht will: einen Neben-König. Müller, da hat
Rüttgers ein langes Gedächtnis, unterstützte die SPD im
Landtagswahlkampf, und zwar mit Geld aus seinem subventionierten
Konzern. Eine Wiederholung scheint Rüttgers nicht ausgeschlossen,
zumal der Stiftungsvorsitzende einen guten Grund hätte, sich einen
Regierungswechsel herbeizuwünschen: Mit neuen Mehrheitsverhältnissen
ließe sich eine neue Satzung schreiben, eine, die die jetzt
vorgesehene zeitliche Begrenzung des Amtes aufhebt.
Und dann sind da noch die anderen Größen im Land, Alphatierchen,
die zu Gerhard Schröders Freundeskreis zählen. Jürgen Großmann, der
alsbald RWE-Chef ist, Alfred Tacke, der Steag-Chef. Und wo steht
eigentlich Thomas Fischer, der zwar dem Land als Großaktionär der
WestLB verpflichtet ist, der aber im Sinne des Geschäfts den
Börsengang für Müllers RAG abwickeln möchte. Irgendwie stehen da
viele drumherum, um den Ministerpräsidenten.
Also hat er sich festgelegt gegen Müller. Und er wird's versuchen,
wie weiland Helmut Kohl: mit Aussitzen. Rüttgers will einerseits so
lange an der Stiftung feilen, bis der RAG-Chef mangels Macht und
Einfluss die Lust auf die Stiftung verliert. Und andererseits wird
Rüttgers die Personalentscheidung so lange blockieren, bis Müller
hinschmeißt. Rüttgers pokert damit hoch, sehr hoch. Denn die
Kanzlerin will das leidige Thema gewiss nicht bis zum Jahresende
durchschleppen. Sie wird sich zwar nicht mit Rüttgers anlegen wollen,
mit Beck, Steinbrück und IGBCE-Chef Schmoldt aber auch nicht. Und der
Ministerpräsident könnte sich leicht im Interessengeflecht
verheddern. Die Einlassung von BDI-Präsident Thumann zu Gunsten
Müllers war jedenfalls gewiss kein Zufall.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung