Lausitzer Rundschau: zu: Der Bundestag entscheidet über die Föderalismusreform
Archivmeldung vom 30.06.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittHauptsache, es bewegt sich etwas, sprach der Geisterfahrer - und raste mit vollem Tempo auf der Autobahn los. Was im realen Leben der Gipfel der Verantwortungslosigkeit wäre, wird in der Politik als Demonstration von Handlungsfähigkeit gefeiert.
Doch
sowohl im Straßenverkehr wie auch bei Reformen gilt: Es kommt schon
auch ein klein wenig darauf an, dass es in die richtige Richtung
geht. Nirgends ist das so sehr in Vergessenheit geraten wie bei der
Föderalismusreform, über die der Deutsche Bundestag heute abstimmen
soll. Was den Abgeordneten vorliegt, ist nicht der große
Befreiungsschlag, sondern ziemlicher Murks - ein doppelter Kompromiss
auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner, zwischen Union und SPD
einerseits und Bund und Ländern andererseits. Betrachtet man das
Ergebnis dieses monatelangen Geschacheres im einzelnen, dann bleibt
als großes Plus in erster Linie die Verringerung der Mitspracherechte
der Länder bei Bundesgesetzen und der damit verbundene
Bedeutungsverlust des Vermittlungsausschusses. Wenn sich die Hoffnung
erfüllt, dass die Quote der Bundesgesetze, denen der Bundesrat
zustimmen muss, von jetzt 60 Prozent auf 30 Prozent halbiert wird,
dann ist das tatsächlich ein bedeutender Fortschritt. Aber welchen
Preis haben die Länder für diesen Machtverlust eingefordert! Der Bund
zieht sich aus der Bildungspolitik - dem wichtigsten Zukunftsbereich
überhaupt - nahezu komplett zurück und nimmt in Kauf, dass künftig
die Bildungs- und Lebenschancen junger Menschen zunehmend davon
abhängen werden, in welchem Bundesland sie zu Hause sind. Die Länder
sollen zudem die Kompetenzen für den Strafvollzug sowie das Beamten-
und das Heimrecht für Pflegebedürftige bekommen. Und sie sollen -
etwa in Teilen des Umweltrechts - die Möglichkeit erhalten, von der
Gesetzgebung des Bundes abzuweichen. Alles in allem ist das der Weg
in eine neue Kleinstaaterei. Ob aber Organisationsformen des frühen
19. Jahrhunderts tatsächlich dazu taugen, einen Staat fit für das 21.
zu machen, daran bestehen doch erhebliche Zweifel. Die benötigte
Zwei-Drittel-Mehrheit für die Reform wird heute im Bundestag wohl
trotzdem zusammenkommen Das liegt nicht etwa daran, dass irgendjemand
in den Reihen der Parlamentarier mit ihr wirklich rundum zufrieden
wäre. Sondern daran, dass die große Koalition - die in den Umfragen
immer kleiner wird - dringend ein Erfolgserlebnis braucht. Wenigstens
ein symbolisches.
Quelle: Pressemitteilung Lausitzer Rundschau