Westdeutsche Zeitung: Der Wettbewerb auf dem Strommarkt funktioniert nicht
Archivmeldung vom 04.08.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Strompreise fallen - nur nicht für die Verbraucher. Wenn RWE seinen Kunden eine Strompreiserhöhung von 7,3 Prozent zumutet, ist dies durch keine Ausrede zu rechtfertigen. Für die Kunden bleibt nicht allein die Tatsache als solche ärgerlich, von ihrem Anbieter ausgenommen zu werden. Empörend ist auch der Versuch der Konzerne, diese Preispolitik schönzureden. Man muss keine höhere Mathematik anwenden, um sowohl die diffusen Spiele mit öffentlich unzugänglichen Zahlen als auch den Verweis auf die gestiegene Umlage aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz als unglaubwürdig zu entlarven.
Zwar ist diese Umlage tatsächlich geringfügig gestiegen, zugleich stürzten die Preise für Energie an der Strombörse aber drastisch um 30 bis 40 Prozent ab. Das Dilemma ist: Auf dem deutschen Energiemarkt bleiben die Gesetze der Marktwirtschaft weitgehend außer Kraft gesetzt. Mehr als zehn Jahre nach der lautstark verkündeten Öffnung des Strommarktes ist der Wettbewerb Wunschdenken: Noch immer ist das System intransparent. Noch immer sind die Versorger nicht dazu verpflichtet, im vollen Umfang Auskunft über ihre Preiskalkulationen zu geben. Noch immer ist es den Wettbewerbshütern nicht gelungen, die verkrusteten Monopolstrukturen der "großen Vier" Eon, RWE, EnBW und Vattenfall aufzubrechen. Die Folgen: Nirgendwo in Europa zahlen Verbraucher so viel für Strom wie in Deutschland; nirgendwo sonst steigen die Preise über Jahre, obwohl die Börsenkurse für Strom fallen. Wenn die Konzerne im Jahr 2010 mehr als 80 Prozent des Stroms liefern und ihre Marktmacht dabei missbrauchen, sollte sich die Politik in Berlin und Brüssel eingestehen: Die Ende der 90er Jahre angestrebte Liberalisierung des Energiemarktes ist im Ansatz steckengeblieben. Was ist zu tun? Erstens müssen die Kartellämter den Versorgern gründlicher als bisher auf die Finger schauen. Zweitens muss die EU-Kommission die Macht der Konzerne effektiver als bisher zurückdrängen - und sollte dies nicht gelingen, diese notfalls zerschlagen. Drittens können auch die Kunden dem kaum funktionierenden Wettbewerb auf die Sprünge helfen, indem sie zu billigeren Anbietern wechseln.
Quelle: Westdeutsche Zeitung