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Neue Westfälische Bielefeld: Krisensymptome

Archivmeldung vom 28.11.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.11.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Zunächst schien alles darauf hinzudeuten, dass Franz Josef Jung an seinem Stuhl kleben und sich die Kanzlerin in der Kundus-Affäre auf ihre Fähigkeit des Aussitzens besinnen würde. Doch es kam anders. Dass Jung unerwartet rasch die Konsequenzen gezogen hat, ist vor allem ein Verdienst der Opposition, die konzentriert und kraftvoll für dieses Ziel gestritten hat.

Jung musste aber auch deshalb schnell gehen, weil sein Verbleib den Eindruck von Dilettantismus, der die schwarz-gelbe Regierung in ihren ersten vier Wochen hartnäckig begleitet, dauerhaft verstärkt hätte. Dass ihnen aus Berlin kein Rückenwind, sondern ein Orkan ins Gesicht bläst, befürchten Jürgen Rüttgers und Andreas Pinkwart in Düsseldorf sowieso, die um die eigene schwarz-gelbe Mehrheit bei der Landtagswahl im kommenden Mai zittern. Die FDP in Düsseldorf beschwert sich bereits über eine Belastung des eigenen Wahlkampfs. Angela Merkel musste also rasch reagieren. Anders als zu Zeiten der Großen Koalition gewinnt die Opposition ein neues Gewicht im Parlament - und das ist gut so. Die Regierung kann es sich nicht leisten, sie zu ignorieren. In der Opposition scheint nun sogar die SPD,die nach der Bundestagswahl am Boden zerstört war, wieder Gefallen an der Politik zu finden. Merkel hat in der Vergangenheit manches schleifen lassen. Das hat sich nun gerächt. Es war unverständlich, dass sie Jung noch einmal als Minister in ihr Kabinett hievte. Schon als Verteidigungsminister hat der Hesse eine bemerkenswert schwache Figur abgegeben. Merkel hätte Jung elegant loswerden können, aber offenbar wollte sie keinen Krach mit seinem mächtigen Förderer Roland Koch riskieren. Dass die Kanzlerin die Besetzung der Ministerposten jetzt ernster zu nehmen scheint, zeigt ihre jüngste Entscheidung. Ursula von der Leyen ist ein Aktivposten. Sie ist durchsetzungsfähig und kommunikativ. Im Arbeitsministerium kann sie sich an so schwierigen Themen wie der Reform der Jobcenter abarbeiten. Ob Kristina Köhler allerdings eine geeignete Familienministerin ist, wird sich noch zeigen. Dass sie aus Hessen stammt, reicht nicht aus. Man kann nur hoffen, dass es für diese Besetzung bessere Gründe gibt als der regionale Proporz. Die Affäre um Franz Josef Jung ist nun erst einmal ausgestanden. Doch die neue Regierung hat noch mit anderen Verwerfungen zu kämpfen. Krisensymptome sind unübersehbar. CDU, CSU und FDP streiten um jeden Spiegelstrich im Koalitionsvertrag. Nichts geht glatt über die Bühne, Krach gibt es etwa um die Steuersenkungen, die Gesundheitspolitik, das Betreuungsgeld. Schon fragt man sich, ob es hier nur um Startschwierigkeiten geht oder ob der Vorrat an Gemeinsamkeiten tatsächlich spärlicher ist als gedacht. Merkel hat gesagt, sie wollte Kanzlerin aller Deutschen sein. Zunächst wäre es gut, wenn sie es schaffte, die Chefin ihrer Koalition zu sein. Die eine Linie durchsetzt, hinter der sich die eigenen Leute versammeln können. Das ist im Moment nicht der Fall.

Quelle: Neue Westfälische

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