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Neue Westfälische (Bielefeld): Immer mehr

Archivmeldung vom 24.12.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.12.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Das Weihnachtsgeschäft ist für Industrie und Handel super gelaufen. Die Menschen haben in der zurückliegenden Adventszeit die in winterliches Weiß gehüllten Innenstädte gestürmt, für sich und die Lieben gekauft, wonach ihnen der Sinn stand - oder was der Geldbeutel zuließ. Vor Jahresfrist barmten alle angesichts einer schweren Wirtschaftskrise, fürchteten um den Arbeitsplatz, sorgten sich nach dem gescheiterten Klimagipfel von Kopenhagen um die Umwelt und blickten rundum sorgenvoll ins neue Jahr.

Die Krisen sind dann aus vielen Gründen vorerst nicht so schlimm geworden wie befürchtet. Wie befreit leben die Konsumenten auf. Daraus können die Deutschen lernen und begründete Zuversicht schöpfen. Wer bereit ist zu Verzicht im richtigen Augenblick und zu Leistung, wer zusammenhält und anpackt und dazu noch ein wenig Glück hat, kann sich aus schwieriger Lage befreien, der hat es verdient, es sich gut gehen zu lassen. Das ist nur die eine Seite. Mit der allein sollte sich niemand zufrieden geben: Neue internationale Langzeituntersuchungen belegen, dass Wohlstand nicht automatisch zu mehr Lebenszufriedenheit bei den Menschen führt. Mehr Geld und Luxusgüter heben nur kurzfristig die Zufriedenheit, vorausgesetzt, die Grundbedürfnisse werden gestillt. Lebenszufriedenheit wächst nirgendwo auf der Erde mit der Wirtschaft. Soziologen führen das darauf zurück, dass Besitz und Geld kein absoluter Wert sind, sondern immer nur im Vergleich mit dem Haben anderer zu Zufriedenheit oder eben Unzufriedenheit führen. Und es finden sich immer Menschen, die mehr besitzen. Außerdem wachsen nachweislich und mühelos die materiellen Wünsche mit dem Einkommen. Ein Rennen, dass der Mensch nicht gewinnen und das zu Unzufriedenheit führen kann. Kann, nicht muss. Diese Erkenntnis legt auf der anderen Seite den Schluss nahe, dass Gesellschaften mit sozialer Ausgewogenheit eine höhere Lebensqualität für alle bieten als die mit großem Wohlstandsgefälle. An dieser Stelle ist Deutschland in der Gefahr, das Maß und damit die leistungsfähige Mitte zu verlieren. Denn nach oben und unten koppeln sich im gesellschaftlichen Spektrum ganze Gruppen ab. Die Reichen fühlen sich zunehmend weniger verantwortlich für "die da unten", ohne dabei zufriedener zu werden, wie sich in der Bankenkrise zeigt. Die Armen, die in den vergangenen Wochen nicht die Fußgängerzonen bevölkerten, erklären "die da oben" für ihr Schicksal zuständig und kümmern sich zunehmend weniger um sich und ihre Zukunft. Auch darum kreisten die Debatten in den vergangenen Monaten. Dabei geht der Zusammenhalt verloren. Der jedoch half nachhaltig mit, die jüngste Krise zu überwinden. Das ist zu bedenken bei der Debatte um zunehmenden Individualismus und Gruppenegoismus. Die ist keine weiche Frage, die nur im Sozialen bleibt. Wie eine Gesellschaft im Innersten aufgestellt ist und zusammenhält, ist auch eine Frage des wirtschaftlichen Überlebens.

Quelle: Neue Westfälische

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