Leipziger Volkszeitung zu Arbeitsmarktzahlen
Archivmeldung vom 01.02.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.02.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNie wieder werde es fünf Millionen Arbeitslose geben, darauf könne man Gift nehmen. Dies versicherte Wolfgang Clement im vergangenen Jahr mit schier unerschütterlichem Zweckoptimismus - als er noch Superminister für Arbeit und Wirtschaft war. Die kühnen Politikerworte können zum Klassiker werden, so wie die absolut sichere Rente von Norbert Blüm.
Denn jetzt ist es wieder
so weit: Mehr als fünf Millionen Menschen in Deutschland haben keine
Arbeit, obwohl die meisten von ihnen händeringend welche suchen. Dass
der Januar besonders kalt war und vielen Älteren wegen der
bevorstehenden Kürzung des Arbeitslosengeldes gekündigt wurde, taugt
bestenfalls als schwacher Trost. Trotz aller herbeizitierten
Sondereffekte bleibt der deutsche Arbeitsmarkt äußerst angespannt und
hinkt der europäischen Entwicklung hinterher. Die von Arbeitsminister
Müntefering und vom Chef der Nürnberger Bundesagentur, Weise,
diagnostizierte Trendwende ist so schwach, dass sie von anhaltender
Kaufzurückhaltung, wachsenden Rohstoffpreisen und internationalen
Konjunktureinflüssen schnell wieder ins Gegenteil verkehrt werden
kann.
Aber immerhin: 75000 weniger Arbeitslose als vor einem Jahr und
wieder mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte sind besser als
nichts und können die Grundlage für einen Neustart sein. Dafür muss
die große Koalition allerdings mehr als bisher für den Arbeitsmarkt
tun. Sie muss Reformen in Angriff nehmen, vor denen sie mit Rücksicht
auf den Koalitionsfrieden bisher zurückzuckt.
Die Schreckenszahlen dieses Januars sind der erneute Beweis des
Scheiterns der rot-grünen Politik. Sie können der neuen Regierung
nach einigen Monaten im Amt nicht angekreidet werden. Doch schon bald
werden die Finger beim Thema Massenarbeitslosigkeit direkt auf die
Großkoalitionäre zeigen, auch wenn die wegen vorübergehend guter
Konjunktur und einer zurückgehenden Bevölkerungszahl etwas sinken
sollte. Denn die großen Koalitionäre haben bisher nicht den Mut
gefunden, von alten rot-grünen Strategien abzurücken. Schon der
nutzlose Zank um die teuren und kaum wirkenden Kombi-Lohn-Modelle
zeigt den arbeitsmarktpolitischen Leerlauf der Koalition. Mit der
verdrängenden Wohlfühl-Taktik zur Steigerung von Kauf- und
Investitionslust werden Deutschland keine messbaren Standortvorteile
beschert.
Anders als der Linkspartei-Stratege Oskar Lafontaine vermutet,
schreibt die Regierung nicht die nur angeblich neoliberale
Reformagenda von Rot-Grün fort. Tatsächlich führt die (auch
machttaktische) Sozialdemokratisierung der CDU zu einer Blockade
notwendiger Veränderungen. So wird derzeit wenig zur Flexibilisierung
des Arbeitsmarktes oder für den Abbau übermäßiger Bürokratie getan.
Die Unternehmenssteuerreform ist aufgeschoben, von Steuersenkungen
für Privatpersonen ist gar nicht mehr die Rede und die geplante
Mehrwertsteuererhöhung kann die Konjunktur 2007 abwürgen. Aus diesem
Hut kann kein Jobwunder gezaubert werden.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung