LVZ: zu Ärzteprotesten Krankheit auf Rezept
Archivmeldung vom 26.03.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittReform schlecht, Kasse leer, Praxis zu. Der Frust vieler niedergelassener Ärzte lässt sich am besten im schnörkellosen Dreisatz-Stakkato des früheren SPD-Chefs Franz Müntefering zusammenfassen. Mit der letzten Märzwoche schließt mal wieder ein Quartal, an deren Ende viele Praxen ihr Budget längst aufgebraucht haben. Der Unmut wächst, weiter für lau zu arbeiten.
Aber auch Lethargie greift um sich, der Aufschrei gegen das politikgesteuerte Praxissterben bleibt bislang aus. Eine bittere Pille für den angriffslustigen Interessenverband Freie Ärzteschaft - der allerdings mit seiner unglücklichen Aktionsplanung kurz nach Ostern gehörigen Anteil an der Luftnummer hat. Eine Protestwoche macht eben nur begrenzt Sinn, wenn kaum einer urlaubsbedingt protestiert. Das Schicksal der niedergelassenen Mediziner ist trotzdem mehr als nur eine Randnotiz im großen Reformwerk Gesundheitspolitik. Der freie Arzt, der möglichst selbst entscheiden will, was gut für seinen Patienten ist, muss den Propheten der alles kontrollierenden Staatsmedizin ein Dorn im Auge sein. Denn wie immer ist Geld im Spiel, viel Geld, das große Klinikbetreiber gern unter sich aufteilen. Der klassische Doktor mit seiner Praxis und stets gut gefülltem Warteraum stört da nur. Wenn beispielsweise der Poltergeist vom Dienst Karl Lauterbach wiederholt zur Medizinerschelte ausholt, dann wundert das kaum. Ulla Schmidts Chefeinflüsterer ist schließlich Aufsichtsratsmitglied der privaten Krankenhauskette Rhön-Klinikum. Welch schöner Zufall, dass Lauterbach sich als SPD-Gesundheitsexperte stark dafür macht, ambulante Leistungen am liebsten nur noch hinter Kliniktüren anzubieten. So geht es munter weiter in Richtung Zweiklassenversorgung und Wartelistenmedizin. Kunde Patient ist in diesem Gesundheitsmarkt eigentlich überflüssig. Wenn wenige Monopolisten zentralistisch über Wohl und Wehe entscheiden und Invest-Heuschrecken auf steigende Klinikgewinne und Aktionärsdividenden drängen, dann gibt es Krankheiten bald nur noch auf Rezept. Allein Kassenbeiträge bleiben erwünscht, Tendenz steigend. Schon im Juli rollt die nächste Erhöhungswelle an. Für was, fragen sich viele Pflichtversicherte, die auf Untersuchungen lange warten und Privatpatienten vorbei ziehen sehen. Doch auch die Tarifsprünge sind zum Gutteil politisch hausgemacht: Bürokratie-Monster Gesundheitsfonds und die Krankenversicherung für alle - auch für Beitragsschuldner - steigern den Einnahmedurst der Kassen. Reform geglückt, Kassenbeitrag bezahlbar, Praxis offen - so würde sich Otto-Normal-Patient den Gesundheits-Dreiklang zur Genesung wünschen. Kein vermessener Anspruch, schließlich lässt sich kaum ein anderes Land sein medizinisches System so viel kosten. Nur kommt am Patientenbett zu wenig Geld an. Hier muss die Operation ansetzten, statt weiter nur an den Symptomen zu laborieren. Das wäre endlich eine wirklich gute Reform.
Quelle: Leipziger Volkszeitung (von Olaf Majer)