WAZ: Die Linke und der Antisemitismus - DDR-Staatsdoktrin wirkt bis heute
Archivmeldung vom 25.02.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Fall des Duisburger OB-Kandidaten der Linkspartei ist eindeutig: Mit seinem Aufruf zum Boykott israelischer Waren in bewusster Anlehnung an den Nazi-Spruch "Kauft nicht bei Juden" hat sich Hermann Dierkes für jedes politische und gesellschaftliche Amt selbst disqualifiziert.
Für die bisweilen durchaus berechtigte Kritik an der israelischen Politik gibt es eine glasklare und unverhandelbare Grenze: die Übernahme von Nazi-Phrasen, -Gedanken und -Parolen. Man ist gleichermaßen erstaunt und erschüttert darüber, wie häufig sich vor allem Politiker immer wieder darin versuchen, mit entsprechenden verbalen Anleihen gegen den politischen Gegner auszuteilen. Diese plump-peinlichen Versuche müssen und werden scheitern.
So sehr man sich davor hüten sollte, die Linkspartei jetzt mehr oder weniger generell unter einen Antisemitismus-Verdacht zu stellen, so wenig sollte sich die Partei allzu leichtfertig auf der sicheren Seite wähnen. Es gibt keinen rechten oder linken Antisemitismus. Aber in dem Maße, in dem auch die Linkspartei einen Querschnitt unserer Gesellschaft darstellt, wird auch sie sich der Tatsache stellen müssen, dass antisemitische Ideen durch ihre Reihen wabern.
Vor allem unter den Trotzkisten innerhalb der Linken und den zahlreichen DDR-Nostalgikern wirkt der Antizionismus als einstige DDR-Staatsdoktrin bis heute nach. Die DDR stand fest an der Seite der Araber in deren Kampf gegen den vermeintlichen jüdischen Aggressor. Damals wie heute manifestierte sich der Antisemitismus als Antizionismus - als linker Mainstream.
Seit Jahren schwelt daher ein innerparteilicher Streit über das richtige Verhältnis zu Israel und über linken Antisemitismus. In der Linkspartei gibt es glühende Unterstützer der radikalen Hamas-Bewegung, die Israel vernichten will. Mehrere Parteimitglieder haben das Existenzrecht Israels infrage gestellt, wiederum andere sprechen - ebenfalls in Analogie zu den Nationalsozialisten - von einem "Vernichtungsfeldzug" Israels gegen die Palästinenser. Oskar Lafontaine wetterte einst gegen "Fremdarbeiter" und bekam dafür, wenn auch ungewollt, heftigen Beifall der NPD.
Gregor Gysi wurde dagegen heftig angefeindet, als er Israel eine "gesicherte Existenz" versprach und seiner Partei gleichzeitig eine "kritische Selbstreflexion" empfahl. Eine eindeutige Klärung des links-jüdischen Verhältnisses steht bis heute aus: Beim Bundesparteitag 2008 setzte die Parteispitze das Thema von der Tagesordnung ab.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (von Norbert Robers)