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Westdeutsche Zeitung: Nordirland

Archivmeldung vom 11.03.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.03.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Bis zum Wochenende zweifelte wohl kaum jemand daran, dass der Jahrhundertkonflikt Irland, diese tatsächlich Jahrzehnte währende Spirale von Gewalt und Gegengewalt, durch das "Karfreitagsabkommen" von 1998 gelöst war.

Die Machtteilung zwischen republikanisch-katholischen Iren und unionistisch-protestantischen Briten in Nordirland bescherte der britischen Provinz seither einen erstaunlich stabilen Frieden und auch wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt. Kosovo, Baskenland oder Kaukasus, glaubten wir, sind Europas ungelöste Probleme - Irland schien Geschichte. Doch mit den Todesschüssen auf zwei Soldaten und einen Polizisten stiegen jetzt die Gespenster einer mörderischen Vergangenheit wieder aus ihrer längst verschlossen geglaubten Gruft. Werden Belfast und Bomben also erneut zum Synonym? Wohl kaum. Das Nordirland von heute ist nicht mehr das des vergangenen Jahrhunderts. Gerry Adams, Chef der republikanischen Sinn Fein, des politischen Arms der Irisch-Republikanischen Armee (IRA), forderte auch die Katholiken auf, die Täter der Polizei zu übergeben. Vor noch 15 Jahren wäre ein solcher Appell unvorstellbar gewesen. Und trauerten früher beide Konfliktparteien - katholische Iren und protestantische Briten - getrennt und jeweils nur um "ihre" Toten, so versammelten sich diesmal nach den Sonntagsgottesdiensten Katholiken und Protestanten gemeinsam vor der Kaserne, um Blumen und Kerzen für die dort ermordeten britischen Soldaten niederzulegen. Auch das ein Zeichen, das noch vor wenigen Jahren beide Bevölkerungsteile kaum für möglich gehalten hätten. Und es zeigt, welch weiten Weg diese zerrissene Provinz mit ihren vielen tausend Toten seit 1998 schon zurückgelegt hat. Der Terror der extremistischen Splittergruppen auf katholischer Seite mag radikalen Unionisten auf protestantischer Seite als Vorwand dienen, ihrerseits auf Gewalt zu setzen. In der Bevölkerung aber scheinen beide isoliert. Die Kämpfe der Vergangenheit haben mit dem Karfreitagsabkommen ein für alle akzeptables Ende gefunden. Was wir jetzt in Belfast erleben, ist nicht die Wiederkehr der irischen Tragödie. Es ist eher ein Spuk, eine - wenn auch blutige - Farce. Hoffen wir es jedenfalls.

Quelle: Westdeutsche Zeitung (von Eberhard Fehre)

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