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Börsen-Zeitung: It's Leadership, Kommentar zum Jahreswechsel

Archivmeldung vom 31.12.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 31.12.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Bleiben wir zunächst bei den Fakten, auch wenn es nicht dem Zeitgeist entspricht: Der Dax hat im fünften Jahr in Folge kräftig zugelegt, sich seit Ende 2011 von 5898 Punkten auf 11481 Punkte fast verdoppelt. Wirtschaftlich steht Deutschland so gut da wie lange nicht mehr: ein reales Wirtschaftswachstum im zu Ende gehenden Jahr von 1,9%, eine Teuerungsrate von 0,5% und eine Arbeitslosenquote, die mit 5,7% auf dem niedrigsten Stand seit der deutschen Wiedervereinigung liegt. Beste Bedingungen also für den Start in das Wahljahr 2017, jedenfalls aus Sicht einer amtierenden Regierung.

So wäre die Kommentierung wohl in früheren Jahren ausgefallen, als - "it's the economy, stupid" - die wirtschaftliche Lage Wahlergebnisse bestimmte. Es gehört zu den prägenden Erfahrungen des Jahres 2016, dass Wähler nicht mehr der ökonomischen Ratio folgen, dass sie wirtschaftliche Fakten schlichtweg ignorieren.

Das war so beim Brexit-Votum der Briten, das war so bei der Präsidentenwahl in den USA und das war so beim Verfassungsreferendum in Italien. Wird es auch so sein bei den Wahlen in Frankreich und Deutschland im neuen Jahr?

Die Disruption, jenes explosive Gemisch aus Globalisierung und Digitalisierung, das seit einigen Jahren die traditionellen Wertschöpfungsketten in der Wirtschaftswelt sprengt und neu ordnet, hat die Politik erreicht. In der Wirtschaft hat sie zu neuem Denken und zur Renaissance von Leadership geführt. Die erfolgreichen Unternehmenslenker sind nicht mehr die Optimierer des Bestehenden.

Erfolg hat, wer innovativ ist oder bestehende Strukturen ohne allzu große Rücksicht auf Traditionen aufbricht und Neues wagt. Das zeigt sich global an den Verschiebungen in der Rangliste der "wertvollsten" Industriekonzerne, wo die ersten zehn Plätze ausnahmslos von US-amerikanischen Gesellschaften eingenommen werden - mit jenen Unternehmen an der Spitze, die nicht Getriebene, sondern Treiber der Disruption sind.

Das zeigt sich national, wo die Bewertungen im Dax durchaus mit der Leadership ihrer Führungskräfte korreliert. National ragen derzeit in der deutschen Industrie vor allem SAP, Siemens und Bayer heraus, die Veränderung und Aufbruch zu Neuem als Chance begreifen.

In der Finanzbranche ist es die Deutsche Börse. Deutsche Banken zählen leider nicht zu den Game-Changern, sie sind im Gegenteil Gefangene ihrer eigenen Vergangenheit und Spielball der Politik geworden.

Denn die Politik in Deutschland und Europa gefällt sich darin, immer eifriger an zahllosen Rädchen zu drehen und das Geflecht ihrer Einflussnahme auf die Wirtschaft immer enger zu knüpfen, nicht nur in der Regulierung der Finanzmärkte. Die Bürger aber spüren die Flucht der Regierungen ins Kleinteilige, ins Weiterwursteln, in faule Kompromisse.

Sie erwarten, dass Politik nicht nur effizient verwaltet, sondern neu denkt und Wege vorschlägt, um die Herausforderungen durch Demografie, Globalisierung, Digitalisierung, Cyberkrieg und internationalen Terrorismus zu bestehen.

Dem Volk aufs Maul zu schauen und das Fähnchen rechtzeitig in den Wind zu hängen, reicht nicht mehr. Die Bürger sehnen sich nach politischer Leadership. Das ist die Botschaft des Jahres 2016. Wer sie nicht beherzigt, sei es in der Wirtschaft, sei es in der Politik, wird 2017 nicht bestehen.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Claus Döring

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