WAZ: Streit um Jugendgewalt
Archivmeldung vom 12.01.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie SPD kann Roland Koch nicht nur nicht leiden, sondern sogar überhaupt nicht leiden, was ihren Umgang mit der Jugendgewalt wesentlich prägt. Weil Koch das Thema mangels besserer Einfälle im Wahlkampf verwendet, stellt sich die SPD automatisch gegen ihn - und das, was er sagt.
In der Sendung "Hart aber fair" war zu beobachten, dass
Justizministerin Brigitte Zypries den hessischen Ministerpräsidenten
mit Blicken bedachte, die eigentlich einen Waffenschein erforderten,
und ansonsten die Ansicht vermittelte, die Diskussionen seien relativ
überflüssig und die Gesetze sowieso ausreichend.
Eventuell reichen die Gesetze aus, und eventuell wird Koch für
seinen Populismus bestraft. Beides ändert aber nichts daran, dass
Menschen zunehmend Angst vor jungen Schlägern haben, und diese Angst
nimmt die SPD in der Darstellung nicht ernst genug. Gerhard Schröder
und Otto Schily mussten ihre Partei daran erinnern, dass sie
Sicherheit als Bürgerrecht versteht.
Ähnlich wie Koch gegenüber verhält sich die SPD der Linkspartei
gegenüber. Sie kann sie nicht leiden und vernachlässigt dabei, dass
Armut oder die Angst vor sozialem Abstieg der Linken die Anhänger
zutreibt. Diese Anhänger fühlen sich von der SPD nicht nur verlassen,
sondern obendrein beschimpft. Armut bedeutet Kinderarmut, welche
Bildungsarmut bedeutet, welche wiederum Perspektivlosigkeit bedeutet,
die vielfach Jugendgewalt begründet.
Aus diesem Zusammenhang hat die SPD inzwischen eine Formel
entwickelt: Wir kämpfen gegen Jugendgewalt, aber noch härter gegen
die Ursachen. Sie geht jedoch viel zu defensiv damit um und wirkt
nicht so, als habe sie das Thema, vom Populismus befreit, als ihr
eigenes erkannt. Schließlich nutzen kaum Manager die U-Bahnen,
sondern normal situierte Menschen sowie viele, die von Mindestlöhnen
träumen.
Wenn die SPD Koch immer wieder vorwirft, er schüre
ausländerfeindliche Stimmungen, dann ist das zwar gut und richtig,
aber zu wenig. Denn den meisten Menschen ist es egal, ob sie Schläge
mit Migrationshintergrund oder deutsche Schläge beziehen. Sie wollen,
dass Politiker sie mit klugen Mitteln schützen und verteidigen.
Die SPD aber verteidigt sich aus Angst vor dem eigenen sozialen
Abstieg vorwiegend selbst, gegen die Kochs, die Linken, die Union,
die Umfragen. Dabei übersieht sie ihre ureigenen Themen, die
praktisch auf der Straße liegen.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung