Rheinische Post: Die Entdeckung der Unterschicht
Archivmeldung vom 18.10.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.10.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittOb hinter dem Seidenweberhaus in Krefeld, auf dem Bismarckplatz in Mönchengladbach oder vor dem Hauptbahnhof in Düsseldorf in jeder größeren Gemeinde kann man das Phänomen besichtigen, das die Politik jetzt scheinbar erstaunt entdeckt.
Es gibt Menschen, die durch alle
gesellschaftlichen Gitter gerutscht sind, am Ende im besten Falle
aufgefangen vom löchriger werdenden sozialen Netz. Den letzten Halt
liefert die Flasche, etwas Wärme die Gemeinschaft mit anderen
Verlierern.
Vier Prozent der West- und bis zu 25 Prozent der Ostdeutschen leben
am unteren Rand unserer Gesellschaft. Sie sind geprägt von der
Erfahrung, dass ihre Arbeitskraft nicht benötigt wird, dass sie in
einer Erwerbsgesellschaft nichts mehr zählen. Die Gruppe dieser
Menschen wird täglich größer, zumal Hartz IV einstige Unterschiede
zwischen Sozialhilfekarrieren und vorübergehend Arbeitslosen
verwischt hat. Vor ein paar Jahren wurden die Entbürgerlichung vieler
und deren Antriebs- und Hoffnungslosigkeit als "neue Armut" bestaunt.
Jetzt heißt es Unterschicht. Ansonsten hat sich wenig geändert. Dabei
gibt es Auswege, voran ein geduldiges wie auch hartes Eingreifen des
Staates ins Private: Druck, aber auch Anreize zum Arbeiten,
Möglichkeiten zum Bildungserwerb, tägliche Hilfe bei der
Kindererziehung. Das Ziel würde es lohnen: ein gerechteres Land.
Quelle: Pressemitteilung Rheinische Post