Börsen-Zeitung: Mehr Mut, Kommentar zur EZB
Archivmeldung vom 08.09.2017
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Freigeschaltet durch André OttWer es positiv wenden will, könnte sagen: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag ein weiteres Mini-Trippelschrittchen in Richtung Einstieg in den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik gewagt - dabei aber versucht, die jüngste Euro-Stärke nicht weiter zu befeuern. Wer es dagegen skeptischer betrachtet, könnte argumentieren: Die EZB tritt in Sachen Exit auf der Stelle und droht gar damit, selbigen erneut zu vertagen - auch aus Angst vor einer zu starken Gemeinschaftswährung.
Welche Sicht der Dinge die richtige ist, wird sich vermutlich erst Ende Oktober zeigen, wenn der EZB-Rat nicht mehr nur reden, sondern entscheiden will. Es bleibt zu hoffen, dass sich erstere Deutung als richtig erweist. Denn der Wirtschafts- und Inflationsausblick in Euroland rechtfertigt längst keine Geldpolitik mehr, die noch expansiver ist als auf dem Höhepunkt der Weltfinanzkrise. EZB-Präsident Mario Draghi & Co. wünscht man da mehr Mut - und weniger Angst.
Natürlich ist es dumm gelaufen, dass ausgerechnet jetzt der Euro zur Stärke neigt. Es gibt aber keinen Grund, die bisherige Aufwertung zu dramatisieren - dafür aber die Hoffnung, dass es zumindest in dem rasanten Tempo nicht weitergeht. Dass Draghi und die EZB genau dazu ihren Beitrag leisten wollen, ist verständlich. Das Risiko bei (verbalen) Interventionen à la Draghi ist aber, dass diese verpuffen - was dann auch Zweifel an der eigenen Glaubwürdigkeit heraufbeschwört.
Beim Euro-Dollar-Kurs ist die EZB aktuell auch den USA ausgeliefert - der Politik in Washington, aber auch der Geldpolitik der Fed. Die US-Notenbank hat sich zuletzt vorsichtiger zum weiteren Straffungskurs geäußert. Die beiden weltweit wichtigsten Notenbanken sollten sich jetzt aber nicht hineinsteigern in einen Wettbewerb nach dem Motto "Wer kann länger (geldpolitisch) lockerer?". Dieser hätte am Ende ganz sicher nur Verlierer. Die EZB sollte vielmehr ihrerseits das politische "Momentum" in Euroland nutzen und den Ball in Sachen Wohl und Wehe der Gemeinschaftswährung wieder ins Feld der Politik zurückzuspielen.
Die EZB muss sich zudem hüten, nicht übermäßig den Finanzmärkten nach dem Mund zu reden. Natürlich sind die Entwicklungen an den Märkten wichtig für die Geldpolitik und die EZB tut gut daran, ihre Intentionen bestmöglich zu kommunizieren - wobei sie aktuell genau diese nötige Klarheit und Transparenz vermissen lässt, was gerade das Risiko künftiger unkontrollierter Marktreaktionen erhöht. Zu viel Nähe ist aber auch schädlich und die EZB darf keine Zweifel aufkommen lassen, dass sie die Märkte führt - und nicht umgekehrt.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Mark Schrörs