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Lausitzer Rundschau: Die Griechenland-Hysterie

Archivmeldung vom 30.04.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.04.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die elf Millionen Griechen haben mehr als 300 Milliarden Schulden angehäuft und ganz Europa fängt an zu zittern. Dass beispielsweise die 3,3 Millionen Berliner 60 Milliarden oder die 650 000 Bremer stolze 16 Milliarden Verbindlichkeiten allein schon in der Landeskasse aufweisen, interessiert keinen. Schulden sind eben nicht gleich Schulden, so lange glaubhaft versichert wird, irgendwie würde jemand schon dafür einstehen.

Das Problem der Griechen sind also weniger die Sünden der Vergangenheit - da müssten die Bremer und Berliner ebenfalls schon längst vor Angst zitternd der Zukunft entgegen schauen. Athen steckt in der Klemme, weil die internationale Finanzwelt dem EU-Staat faktisch den Geldhahn zugedreht hat. An der Weser und der Spree dagegen fließen die Kredite nach wie vor zu guten, derzeit sogar zu allerbesten Konditionen. Griechenland hat also weniger ein Schuldenproblem als vielmehr mit einem Vertrauensverlust zu kämpfen. Der wiederum hängt sehr direkt mit den Spekulationswellen zusammen, die die Weltwirtschaft von einer Krise in die nächste treiben. Dabei spielen dann auch noch die Bewertungsagenturen eine ganz eigenartige Rolle, die vor nicht allzu langer Zeit Pleitepapiere als sichere Geldanlagen einstuften, jetzt aber einen Euro-Staat zum Ramschobjekt herunterstufen. Solch ein Urteil über einen Staat, der einem Währungsverbund angehört, ist tatsächlich eine Premiere. Es basiert auf der Annahme, die Griechen würden mit ihren Problemen allein gelassen nicht fertig werden. Es ist eine indirekte Aufforderung zur Spekulation gegen eine Währung, die von vielen Sachverständigen derzeit eher für überbewertet gehalten wird. Es ist die Antwort der Finanzwelt auf die Unfähigkeit der Politik, die Geldströme so zu regeln, dass sie nicht eingreifen können in die Gestaltungshoheit frei gewählter Volksvertreter. Darin gleicht die jetzige Krise dem vorangegangenen Banken- und Anlagendesaster, für das inzwischen weit mehr Steuergelder aufgewandt wurden als jemals im Falle Griechenland abgefordert werden dürften. An diesen Krisen haben einige viel Geld verdient und viele haben dafür bezahlt. Wenn eine Reform der Kapitalmärkte nicht gelingt, dürfte deswegen daraus ein Legitimationsproblem der Demokratie werden. Die gegenwärtige Hysterie, die verbreitet wird, lenkt davon allerdings nur ab. Sie nützt fremdenfeindliche Ansätze aus und macht ein Volk der EU zum Sündenbock. Aber nicht die Hellenen, die es mit der Steuer nicht so genau nehmen, sind die tatsächlich Verantwortlichen. Die sitzen ganz wo- anders in den Hochhäusern der Banken.

Quelle: Lausitzer Rundschau

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