Leipziger Volkszeitung zu Anschlag auf Bundeswehr
Archivmeldung vom 21.05.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.05.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWährend der Parteipolitiker Franz Josef Jung mit den anderen vom CDU-Männerbund des "Anden-Paktes" in Kopenhagen über die zementierte Machtstellung der einst ungeliebten Angela Merkel sinnierte, brachte ein Selbstmord-Attentäter in Kundus Mord und Terror mitten hinein in die Bundeswehr.
Der
Bundesverteidigungsminister wechselte rasch zum
Dienstverantwortlichen für seine Soldaten. Politik kann erschreckend
schnell todernst werden.
Im Gefolge des Irak-Desasters missbrauchen Taliban, Drogenbarone
und Kriegsherrn die Irakisierung Afghanistans für ihre Zwecke. Der
Anschlag wird auch die erstaunliche Teilnahmslosigkeit an dem Einsatz
in der Bundesrepublik beenden. Deutsche Soldaten sind, im Auftrag der
Bundesrepublik, Teil der Kriegswirklichkeit. Verfassungsrechtlich ist
dieser Befund bedenklich, Stimmungsmäßig ist er bedrohlich.
Der Marschbefehl für immer neue Kontingente ist militärisch knapp zu
regeln. Die politische Verantwortung darf sich nicht auf
unverbindliche Truppenbesuche und auf parlamentarische Schaukämpfe
reduzieren. Es geht ums Überleben - und um Sinn oder Unsinn einer
militärischen Anti-Terror-Politik. Trauer, Betroffenheit und
Ratlosigkeit prägen das Bild. Nicht nur die USA im Irak, auch die
Nato in Afghanistan steht vor dem Chaos: Es gibt keine Exit-Strategie
für derlei Einsätze. Im Ernstfall klappt nicht einmal das einfachste
Krisen-Ein-mal-Eins: Jung plauderte eine bevorstehende Reise seines
Kabinettskollegen Steinmeier nach Afghanistan aus. Solche Visiten im
voraus geheim zu halten gehört eigentlich zum selbstverständlichen
Vorsorge-Paket der Terror-Abwehr. Auch der frühere
Verteidigungsminister Rudolf Scharping hatte einmal versehentlich
Geheimbedürftiges ausgeplaudert.
Deutsche Soldaten mit ihrer beispielhaften Verbindung von
Zivilität und Wiederaufbau leisten Beeindruckendes. Ob dieser
alternativlose, humane Ansatz noch eine Chance hat, wenn ringsum
blindwütiger Terror herrscht, ist fraglich. Eine Stabilisierung ist
ohne Bündnispartner im Land - inklusive moderater Vertreter des
Widerstands - nicht zu machen. Einige Vertreter der Linkspartei haben
gemeint, sie könnten politisch punkten wenn sie die Bundesregierung
verantwortlich machen für die Terroropfer von Kundus. Das kommt einem
politischen Verbrechen nahe. Und es ist nicht weit entfernt von der
blindwütigen Ideologie am Hindukusch, die den Konflikt mit den
internationalen Friedenstruppen anheizt.
Billiglösungen sind nicht zu haben. Zu denen würde der überstürzte
Abzug der Isaf-Truppen gehören. Aber spätestens bei der im Herbst
anstehenden Mandats-Verlängerung für die deutschen
Afghanistan-Kontingente ist Aufrichtigkeit gefragt. Kann dieser
Einsatz in diesem Irak-Umfeld noch befriedend wirken? Damit verbunden
ist die Frage: Ist die bloße Verlängerung eines Einsatzes
verantwortbar, ohne dass er von den Verantwortlichen nicht auch
grundsätzlich in Frage gestellt werden kann? Zweifel sind Pflicht.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung