Alle Jahre wieder
Archivmeldung vom 04.12.2021
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićAlle Jahre wieder, wenn der Jahreswechsel in Sichtweite rückt, ist die Zeit der Kapitalmarktausblicke gekommen. Praktisch keine Bank bzw. Assetmanagement-Tochter, die dann nicht mit den Perspektiven für das anstehende Kapitalmarktjahr aufwartet. Mitunter wirkt es schon fast ein wenig inflationär. Zumeist gehen die Auguren mit vorsichtig optimistischen bis optimistischen Prognosen in das neue Jahr. Heftigen Pessimismus sucht man wie die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen.
Und so ist es auch dieses Jahr. Steigende Impfquoten und das Hoffen auf nachlassende oder womöglich auch ausbleibende weitere Infektionswellen stimmen die meisten Adressen zuversichtlich, was die wirtschaftliche Entwicklung und die Performance an Aktienmärkten betrifft. Ein Störfeuer bildet aktuell allerdings die Omikron-Variante des Coronavirus. Aber die tatsächlichen Auswirkungen dieser Mutation in all ihren Facetten und damit auch in wirtschaftlicher Hinsicht vermag noch niemand einzuschätzen. Dafür ist es schlichtweg zu früh. Große Zinssteigerungen bei den Notenbanken werden derzeit zumeist aber nicht gesehen, höchstens noch eine erste Zinsanhebung in den USA und die vermutlich erst im Verlauf der zweiten Jahreshälfte. Manch einer am Markt verschiebt aber auch das immer mehr in die Zukunft. Bei der Europäischen Zentralbank (EZB) sollte im gesamten Jahr 2022 gar nichts kommen, die europäischen Währungshüter sollten auf Sicht fahren. So lautet die Einschätzung bei den meisten Assetmanagern. Von der Zinsseite sind dann keine Belastungen zu erwarten. Das billige Geld der Zentralbanken, das die Aktienmärkte ja nun schon seit geraumer Zeit antreibt, sollte den Aktienanlegern als Stimulierungsfaktor erhalten bleiben. Da die Fed nach Einschätzung vieler Volkswirte aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Lage noch vor der EZB den Leitzins anheben könnte, wäre der Dollar gegenüber der Gemeinschaftswährung im Vorteil. Aber der schwächere Euro hilft ja den exportorientierten europäischen Unternehmen.
Die Party an den Aktienmärkten wird nach Ansicht vieler Anlagestrategen nach dem Jahreswechsel erst mal weitergehen. Da könnte es sogar ein Risiko sein, am Aktienmarkt nicht investiert zu sein. Die Unternehmensgewinne sollten steigen, stabile Geschäftsmodelle und niedrige Zinsen gelten als Antriebsfaktoren für die Dividendentitel. Eine breite Streuung empfiehlt sich aber trotzdem in den Portfolios.
Zuversichtliche Auguren meinen denn auch, dass Aktien auch im kommenden Jahr zu den renditeträchtigsten Anlagen gehören, allerdings wird das Kurspotenzial deutlich niedriger als im laufenden Jahr eingeschätzt. So mancher Assetmanager rechnet "nur" noch mit Kurssteigerungen im mittleren einstelligen Prozentbereich, denn die Bewertungen könnten durchaus ihren Höhepunkt erreicht haben. Die Kursentwicklung dürfte nach Meinung mancher Adressen im kommenden Jahr in erster Linie von der Entwicklung der Unternehmensgewinne abhängen. Ohne Zweifel richtig. Die Aktienmärkte sind in den vergangenen Monaten nochmals gut gelaufen und haben jüngst aber auch am Beispiel des Black Friday gezeigt, dass kräftige Rückschläge aufgrund der Pandemieentwicklung sehr realistisch und damit einzukalkulieren sind. Das lässt am Markt die Akteure natürlich aufhorchen.
Viele im Markt erwarten, dass es ab dem zweiten Quartal mit der Konjunktur bergauf gehen sollte. Bis dahin beeinträchtige dann noch die Corona-Pandemie die wirtschaftliche Aktivität, danach wird vielfach die Aufholjagd erwartet. Auf dem Zettel muss man aber auch haben, dass die Pandemie im Winter noch heftiger werden könnte - über die Omikron-Mutation hinaus - und es somit zu stärkeren konjunkturellen Beeinträchtigungen kommen könnte. Auch mögliche Pleitewellen sollte man nicht ganz aus dem Auge verlieren, so wie zum Beispiel in der Schweiz befürchtet. Kippen Unternehmen um, belastet das auch andere Adressen, Kettenreaktionen könnten die Folge sein, mit entsprechenden Einflüssen auf Nachfrage nach Investitionsgütern, Verlust von Arbeitsplätzen und damit auch einer geringeren Konsumnachfrage der privaten Haushalte, was dann auch die Inflation wieder zurückkommen lassen sollte. Es sind auf dem Pfad der wirtschaftlichen Erholung auch noch etliche Stolpersteine zu berücksichtigen, die die Wirtschaft und damit die Performance von Aktien und Anleihen nicht ganz so rosig ausfallen lassen könnten, wie das mancher erwartet. Damit könnte sich dann die erwartete Erholung weiter in die zweite Jahreshälfte verschieben. Wie so oft schon.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Kai Johannsen