Börsen-Zeitung: Der Default kommt
Archivmeldung vom 09.04.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittPortugal ist unter den Rettungsschirm geflüchtet. Und wie sieht die Reaktion der Bond- und Credit-Märkte aus? Von Erleichterung weit und breit keine Spur. Warum sollten die Akteure auch mit Erleichterung auf den Hilferuf reagieren? Der Schritt galt seit Wochen als überfällig, einige Marktteilnehmer erwarteten ihn schon im vierten Quartal, als Dublin in Brüssel anrief.
Selbst ein in Staatsrefinanzierungsfragen unbedarfter Betrachter dürfte zum Schluss erkannt haben, dass der Zickzackkurs der portugiesischen Schuldenmanager durch die Märkte nicht zu einer soliden Staatsrefinanzierung, sondern nur zum Rettungsfonds führen kann. Wenn ein Staat die Rentenversicherung oder Versicherungen einer staatseigenen Bank tatsächlich drängt, heimische Staatsanleihen zu kaufen, um darüber noch finanzielle Stärke zu demonstrieren, dann erinnert das schon sehr an Auswüchse der Subprime-Krise: Hypothekenschuldner beglichen die nächste Rate für die Ramschimmobilie mit der Kreditkarte und "demonstrierten" Zahlungsfähigkeit bzw. Kreditwürdigkeit. Das Prinzip rechte Tasche - linke Tasche funktioniert eben nicht lange. Das musste sich auch Lissabon eingestehen.
Es gibt aber noch eine weitere Erklärung, warum die große Erleichterung ausgeblieben ist, und wieder zeigt sich eine Parallele zur Subprime-Krise. Als im Sommer 2007 die ersten Banken im Zuge des Hypothekenkollapses umkippten, reagierten Zentralbanken mit Zinssenkungen. Der erste Lockerungsschritt wurde bejubelt. Spreads engten sich rund drei Wochen lang ein. Die nächsten Zinsschritte riefen an den Märkten schon wesentlich weniger Freude hervor, bis die Wirkung schließlich ganz verpuffte. Mit billigem Geld ist nicht zu beheben, was durch billiges Geld ausgelöst wurde, schon gar keine fundamentalen Fehlentwicklungen - so die Begründung für den ausbleibenden Jubel damals.
Wie ähnlich ist die Entwicklung doch in der Staatsschuldenkrise. Der Bail-out von Griechenland vor knapp einem Jahr, das später geschnürte Rettungspaket für den Euro und die Schützenhilfe durch die Europäische Zentralbank in Form von Staatsanleihekäufen in den Eurozonen-Peripherieländern führten ebenfalls zu Spread-Einengungen. Getreu der Devise: Das Problem wurde erkannt, die Verantwortlichen unternehmen etwas. Bei Irland rund ein halbes Jahr später war die Reaktion schon verhaltener. Bei Portugal ist sie nun ganz ausgeblieben.
Griechenland, Irland und Portugal konnten letztendlich nicht anders, als die Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Gemeinschaft steht ihnen bei, dafür wurden die Hilfsmechanismen ins Leben gerufen. Doch eines ist klar: Die Liquidität, die nach Athen und Dublin geflossen ist und nun Lissabon helfen soll, darf nur eine Überbrückung sein. In den nächsten Tagen werden die Details der Portugal-Hilfe ausgehandelt, die Summen festgelegt und ein Konditionenkatalog vereinbart. Auch das haben die Marktakteure schon einmal gesehen - bei Griechen und Iren. Wieder werden Reformen angemahnt und ein strikter Sparkurs gefordert werden, festgemacht an einem deutlich zu drückenden Haushaltsdefizit. Kurzum: Die fundamentale Situation des Landes muss extrem verbessert werden. Lissabon wird Versprechen abgeben.
Die Ratingagenturen werden die fundamentale Entwicklung verfolgen und - wenn den Worten wieder einmal keine Taten folgen oder zu halbherzig agiert wird - den Daumen senken, d.h. die Ratings verschlechtern. Damit geraten die Bonds nochmals unter Druck. Folglich steigen die Renditen, und zwar über das gegenwärtige Maß hinaus, womöglich noch sehr deutlich, wie am Beispiel Griechenland abzulesen ist. Die Rückkehr dieser Länder an die Kapitalmärkte verschiebt sich damit in die Ferne. Hinzu kommt, dass bei einem Verlust des Investment-Grade-Ratings diese Länder bzw. deren Bonds aus wichtigen Staatsanleiheindizes wie iBoxx oder den Barclays-Indizes herausfallen. Investoren, die nur Staatsanleihen mit Investment-Grade halten dürfen, werden zu Verkäufen gezwungen. Weiterer Druck entsteht, bis fast nur noch Hedgefonds oder Distressed Debt Funds die hochvolatilen Anleihen anfassen.
Was erwartet der Markt denn bei Griechenland - ein Jahr nach dem Hilferuf - sowie bei Irland nach sechs Monaten und nun bei Portugal? Bei Griechenland wird beim aktuellen Spread der Absicherungskontrakte Credit Default Swaps (CDS) von rund 1000 Basispunkten (BP) und der Annahme einer Rückzahlung von 40% des Nominals einer Anleihe mit einer Wahrscheinlichkeit von über 58% mit einem Kreditereignis (Default) - z.B. Restrukturierung - gerechnet. Bei Irland liegt diese Wahrscheinlichkeit bei rund 37% und bei Portugal bei 38%. Das zeigt deutlich, wovon der Markt trotz Rettungspaketen ausgeht: Der Default kommt.
Quelle: Börsen-Zeitung