WAZ: SPD-Verfahren gegen Clement
Archivmeldung vom 02.08.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittHalten wir uns noch einmal kurz bei der Frage auf, ob das Parteiausschlussverfahren gegen Wolfgang Clement nun ein politischer Vorgang ist oder ein juristischer. Am 30. August 2004 trat das SPD-Mitglied Oskar Lafontaine bei der Montagsdemonstration in Leipzig auf und sprach vor 60 000 Zuhörern gegen die Hartz-Reformen der Rot-Grünen Bundesregierung.
Noch in derselben Woche verlor die SPD die Landtagswahl im Saarland, und der Bundesvorstand der Partei gab Lafontaine eine Mitschuld an der Niederlage. Nehmen wir an, Lafontaines Verhalten damals wäre mit Recht "parteischädigend" zu nennen - warum beantragte dann niemand seinen Rauswurf? So war es Lafontaine, der im Mai des folgenden Jahres sein Parteibuch aus eigenen Stücken zurückgeben durfte.
Es fehlte offenbar im Herbst 2004 jener Unmut der Basis über das
Verhalten eines Spitzenpolitikers, der jetzt Wolfgang Clement mit
voller Wucht trifft. Mag auch das Schiedsgericht für sich
beanspruchen, nur ein juristisches Verfahren abzuarbeiten und mögen
sich hochmögende Parteivertreter hinter dieser Formel verstecken -
der Bochumer Ortsverband, der das Verfahren mit Abstimmung und
Beschluss in Gang brachte, handelte politisch.
Was aber macht Clement für die Genossen im Ortsverband zu einem
größeren Schmutzbuckel als Oskar Lafontaine? Sein Egoismus - kann gar
nicht größer sein. Seine Arroganz - auch nicht. War sein Timing
schlechter? Siehe oben. Bliebe also allein die politische
Ausrichtung. Viele an der Parteibasis verstanden Lafontaine damals
nur zu gut. Viele folgten ihm sogar später in die WASG/Linkspartei.
Clement hingegen empfinden sie heute als Abweichler.
Natürlich stellt auch Wolfgang Clement selbst sich nun als Opfer
eines politischen Vorgangs dar. Beklagt die neue Macht des linken
Flügels und mangelnde Meinungsfreiheit in der Partei Willy Brandts.
Ihm mag das nützen, nicht zuletzt deshalb, weil er im Januar 2008
eigentlich ziemlich in der Versenkung verschwunden war und nun wieder
viel Aufmerksamkeit genießt. Doch für die SPD ist der Eindruck, dass
hier eine Partei auf dem Weg nach Links interne Kritiker mundtot
macht, eine Katastrophe. Die Wähler in der dringend benötigten
"Mitte" des politischen Spektrums mögen so etwas nicht und werden das
auch zeigen.
Da mögen dann landauf, landab Sozialdemokraten beschwören, ein
möglicher Ausschluss Clements habe keine politischen Ursachen. Von
den politischen Folgen wird sie das nicht verschonen.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (von Achim Beer)