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Berliner Morgenpost: Joe Biden zeigt Führung ein Kommentar von Michael Backfisch

Archivmeldung vom 21.10.2023

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.10.2023 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Mary Smith

Die internationale Politik befindet sich in einem Schlamassel wie lange nicht. Der von Russland angezettelte Ukrainekrieg hat sich zu einer großen Zermürbungsschlacht entwickelt. Nach den grausamen Terrorangriffen der islamistischen Hamas setzt Israel zum Gegenschlag an, der sich auf den gesamten Nahen Osten und darüber hinaus ausweiten kann. Die Welt ist polarisiert wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr: hier der Westen, dort Russland im Schulterschluss mit China. Beide Lager buhlen um die Entwicklungs- und Schwellenländer des "globalen Südens".

In einer derartigen Gemengelage aus Konflikt, Gewalt und Chaos ist für Politiker die Versuchung groß, sich aus allem herauszuhalten. Wer auf innenpolitischen Beifall schielt, sagt Sätze wie: Wir konzentrieren uns auf die Lage zu Hause. Keine finanziellen Opfer zur Lösung von Krisen im Ausland.

US-Präsident Joe Biden hat ganz bewusst diesen Weg nicht eingeschlagen. Er hat sich nicht im Dickicht eines Bequemlichkeitspopulismus verkrochen. In einer bemerkenswerten Fernsehansprache hat er die Hamas-Attacken auf Israel und den Angriffskrieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin gegen die Ukraine miteinander verknüpft. "Hamas und Putin verkörpern unterschiedliche Bedrohungen, aber sie haben eines gemeinsam: Sie wollen beide eine benachbarte Demokratie komplett auslöschen." Die Geschichte habe gelehrt: "Wenn Terroristen nicht den Preis für ihren Terror, wenn Diktatoren nicht den Preis für ihre Aggression bezahlen, richten sie noch mehr Chaos, Tod und Zerstörung an."

Der Chef des Weißen Hauses holt weit aus, um seine Landsleute aufzurütteln und 14 Milliarden Dollar Militärhilfe für Israel und 60 Milliarden Dollar für die Ukraine lockerzumachen: Um diese Beträge hat er den Kongress gebeten. Biden zeichnet das Bild einer Welt, die aus einem Kampf zwischen "Freiheit" und "Tyrannei" besteht. Die Sicherheit der Vereinigten Staaten sei nur gewährleistet, wenn sich Israel und die Ukraine erfolgreich zur Wehr setzten, lautet sein Fazit.

Für die Unterstützung Israels gibt es in der US-Bevölkerung traditionell eine überwältigende Mehrheit. Trotzdem bemüht sich der Präsident um eine Balance. Er warnt gleichermaßen vor "Antisemitismus" und "Islamophobie". Er wirbt für eine Zwei-Staaten-Lösung, die auch den Palästinensern ein Leben in "Sicherheit, Würde und Frieden" ermöglicht. Und er mahnt Israels Regierung, beim Feldzug gegen die Hamas nicht "blind vor Wut" zu handeln. Amerika sei durch die "Hölle" der Terroranschläge des 11. September 2001 gegangen und habe "Fehler" gemacht, räumt Biden ein - ein indirekter Hinweis auf die gescheiterten US-Militäraktionen im Irak und in Afghanistan.

Bidens Rede war gespickt mit Nachdenklichkeit, Demut, aber auch mit Appellen zum Engagement für Demokratie und Freiheit. Der Präsident geht dabei ein hohes Risiko ein. Auch die US-Wirtschaft leidet unter den Folgen von Krisen und Kriegen: Die Inflationsrate ist nach wie vor hoch, ein Gefühl der Unsicherheit lastet auf dem Land. Vor diesem Hintergrund ist ein beträchtlicher Teil der Amerikaner isolationistisch gestimmt.

Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump und die Gilde der Mini-Trumps versuchen, daraus Kapital zu schlagen. Biden weiß, dass all dies Hürden für seinen bevorstehenden Wahlkampf sind. Doch er prescht vor und platziert die USA als weltpolitische Ankermacht der Demokratien. So sieht politische Führung in schweren Zeiten aus.

Quelle: BERLINER MORGENPOST (ots)

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