Börsen-Zeitung: Blindes Vertrauen in die Fed
Archivmeldung vom 30.10.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt"Derzeit befindet sich die Volkswirtschaft noch nicht in der Rezession." Dies teilte der damalige Chairman der Federal Reserve, Alan Greenspan, am 2. Oktober 1990 während einer internen Sitzung der Fed mit. Später stellte das National Bureau of Economic Research fest, dass die Rezession in den USA bereits im Juli 1990 begonnen hatte.
Aktuell sind in den USA drei Faktoren am Werk, die in Kombination
das Zeug haben, die größte Volkswirtschaft der Welt in die Rezession
zu stürzen: Die Krise auf dem Immobilienmarkt, die Kreditverknappung
und der Ölpreis. Ob und wann diese Faktoren zu negativem Wachstum
führen werden, vermag niemand vorauszusagen - schließlich hat selbst
Greenspan des Öfteren danebengelegen.
Diese Unsicherheit wie auch der enorme Druck, der aktuell von der
Wall Street auf den amtierenden Fed-Chairman Ben Bernanke ausgeübt
wird, lassen erwarten, dass der Offenmarktausschuss der Fed am
Mittwochabend eine Leitzinssenkung verkünden wird. Die Aktienmärkte
nehmen das schon vorweg und reagieren positiv. Die Rally an den
Emerging Markets und die Carry Trades am Devisenmarkt zeigen ferner
an, dass die Anleger erneut recht unbekümmert in risikoreiche Assets
strömen. Das momentan fast blinde Vertrauen vieler Investoren in die
Fed ist überraschend. Schließlich müsste sich auch an Wall Street
herumgesprochen haben, dass eine Zinssenkung wegen der großen
Wirkungsverzögerung von rund neun Monaten nur sehr begrenzt zur
Bekämpfung von Rezession taugt.
Eine zumindest aus Sicht der übrigen Welt weniger erwünschte
Wirkung der Zinssenkungen der Fed ist dagegen schon jetzt klar
erkennbar: Der Dollar gerät immer stärker unter Druck, was mit Blick
auf das nach wie vor hohe Leistungsbilanzdefizit der USA und die
umfangreichen weltweit im Dollar gehaltenen Währungsreserven eine
potenziell gefährliche Entwicklung darstellt. Zudem sorgt der Verfall
des Außenwerts des Greenback dafür, dass über den steigenden Ölpreis
die US-Konjunktur zusätzlich abgedämpft wird.
Alles in allem besteht kein Anlass dazu, aufgrund der bevorstehenden Zinssenkung übermütig zu werden. Die konjunkturelle Lage ist schwierig, die Folgen der Finanzkrise sind noch nicht bewältigt und mit der Dollarschwäche ist ein zusätzliches Element der Unsicherheit für die Märkte entstanden.
Quelle: Pressemitteilung Börsen-Zeitung