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Schwäbische Zeitung: Merkel verspielt Vertrauen

Archivmeldung vom 22.10.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.10.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit, dieses Lieblingsmotto der Kanzlerin ist nicht immer richtig. Wenn es in der guten Stube brennt, ist es zuweilen besser, mit der nächstliegenden Decke draufzuklopfen, als den Feuerlöscher im Keller zu suchen. In Europa brennt es, und die Bundesregierung wägt seit Langem genauestens ab. Zu lange schon.

Das Misstrauen in die Politik wächst. Hat man die Krise im Griff? Angela Merkel steht vor der schwersten Bewährungsprobe ihrer Amtszeit. Deutschland kommt in Europa eine besondere Führungsrolle zu. Doch Merkel treibt nicht an, sie wird getrieben. Hinzu kommt: Vertrauen kann sich Deutschland im In- und Ausland nur durch klare Ansagen erwerben. Natürlich setzt die Diplomatie offenen Worten auf europäischer Ebene enge Grenzen. Selbstverständlich kann eine Kanzlerin nicht sagen, hier machen die blöden Franzosen oder die stolzen Spanier und Italiener nicht mit. Aber sie kann zumindest sagen, was sie selbst will. Was ihr Ziel ist. Und was notwendig ist. Doch Wolfgang Schäuble, Geheimniskrämer von Haus aus, lässt die Parlamentarier und Öffentlichkeit genauso im Vagen wie die stets zögernde Angela Merkel.

Reicht der Rettungsschirm EFSF nicht? Muss noch eine Hebelung, sprich Ausweitung, sein? Erst hieß es nein, dann schwieg die Regierung. Und richtig erklärt hat die Bundesregierung die Milliarden-Risiken bis heute nicht. Weder den Abgeordneten noch der Bevölkerung. Merkel und Schäuble schüren auf diese Art eine Kultur des Misstrauens, selbst im eigenen Lager.

Dass sie dann in einer Krisenlage, in der alle Kraft der Rettung des Euros dienen muss, auch noch eine jämmerliche Steuerreform zimmern, schlägt dem Fass den Boden aus. Doch nicht hinter jedem Schachzug steckt eine Verschwörung, wie Horst Seehofer sie wittert, manchmal ist es auch nur Unprofessionalität. Was als Bonbon für die FDP geplant war, gleicht jetzt einer ollen Kamelle, die niemand will.

Quelle: Schwäbische Zeitung (ots)

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