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Neue Westfälische (Bielefeld): Prozess gegen Verena Becker

Archivmeldung vom 01.10.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.10.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Nichts Geringeres als die Wahrheit. Das erhoffen sich Staatsanwaltschaft, Nebenkläger Michael Buback und nicht zuletzt die Öffentlichkeit vom Prozess gegen die Ex-RAF-Terroristin Verena Becker. So verständlich dieser Wunsch sein mag, so wenig werden die Richter diesen befriedigen können. Mehr noch: Aller Voraussicht nach wird der Prozess enttäuschend enden.

Verena Becker schweigt. Die Angeklagte ist nicht gezwungen, sich selbst zu belasten. Dieses Recht steht ihr zu, weil in einem Rechtsstaat die gleichen Regeln für alle gelten. Auch für diejenigen, die ihn ablehnen. Ein weiterer Grundsatz lautet, dass nicht die betroffenen Opfer zur Hauptinstanz der Verhandlung werden können. Mit aller Akribie hat Michael Buback in den vergangenen Jahren Indizien zusammengesammelt, die Becker des Mordes an seinem Vater, dem früheren Generalbundesanwalt Siegfried Buback, überführen sollen. Ihm würde das endlich den ersehnten inneren Frieden bringen. Ein mehr als verständliches Bedürfnis. Späte Genugtuung ist ein nicht zu verachtendes Gut. Und doch darf sich das Gericht davon allein nicht leiten lassen. Becker war bereits zu lebenslanger Haftstrafe verurteilt worden. Sie hatte neun Jahre verbüßt, ehe sie von Bundespräsident Richard von Weizsäcker begnadigt wurde. Der Gesellschaft brächte eine neuerliche Strafe nicht mehr Gerechtigkeit. Alle offenen Fragen des Buback-Mordes werden nicht geklärt werden können. Das entlastet die Täter nicht von ihrer Schuld. Mord verjährt nicht. Aber der RAF-Terror, dem die Justiz bereits mit aller Härte begegnete, ist nicht zuletzt auch dadurch überwunden worden, dass es von Seiten des Staates die Bereitschaft zu deeskalierenden Schritten und Versöhnungsinitiativen gegeben hat. Auch dieser Wahrheit muss das Gericht verpflichtet sein.

Quelle: Neue Westfälische

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