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Weichgespült, Kommentar zur EU-Energiepolitik

Archivmeldung vom 20.10.2022

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.10.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić

Die EU-Staats- und Regierungschefs werden sich bei ihrem Gipfeltreffen am Donnerstag erneut mit den hohen Energiepreisen befassen - wie schon so oft in den zurückliegenden Monaten. Und wie so oft werden sie sich wohl erneut nicht einig sein, wie eine gemeinsame Antwort aussehen kann. Zuletzt hatten die informellen Beratungen vor zwei Wochen in Prag ja mit Zwietracht in dieser Frage geendet. Dies ist auch durchaus verständlich: Denn der Energiemix der einzelnen EU-Staaten, ihre Importabhängigkeiten und ihre Einkaufsstrategien auf den Märkten sowie ihre Energieinfrastrukturen sind so verschieden wie ihre finanzpolitischen Spielräume. Die Interessen sind daher nur schwer unter einen Hut zu bringen. Es gibt zwar einen europäischen Stromnetzverbund. Aber von einer Energieunion ist die EU noch weit entfernt.

Trotzdem werden die Staats- und Regierungschefs bei ihrem jetzigen Treffen in Brüssel wohl grünes Licht für einen Großteil des Gaspakets geben, das die EU-Kommission in dieser Woche im Kampf gegen die hohen Preise vorgelegt hat. Und auch dies ist nachvollziehbar: Denn zum einen gilt es, gegenüber Bürgern und Unternehmen eine Art Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Und zum anderen ist das Kommissionspaket ein typisch europäischer Kompromiss, der viele Vorschläge irgendwie aufgreift, aber in einer weichgespülten Art und Weise.

Beispiel gemeinsamer Gaseinkauf: Die Befürworter setzen darauf, dass eine Bündelung der Nachfrage die Preise drücken kann - wobei stets ignoriert wurde, dass es private Versorger sind, die den Einkauf verantworten und die miteinander im Wettbewerb stehen. Brüssel will jetzt, dass die Konzerne lediglich 15 % der Speicher mit einem gemeinsamen Einkauf füllen. Das kann man machen. Aber eine richtige Einkaufsmacht gegenüber den Gasproduzenten sieht sicherlich anders aus.

Beispiel neuer Gaspreisindex: Auch dieser könnte sicherlich positive Wirkungen zeigen - aber nur für Flüssiggaspreise und auch nur, wenn die Märkte die neue Benchmark auch akzeptieren. Ebenso wie beim gemeinsamen Einkauf wäre eine überschaubare Preisdämpfung aber erst in einem Jahr zu spüren.

Und der von einer Mehrheit der EU-Staaten befürwortete Gaspreisdeckel? Den werden die Staats- und Regierungschefs möglicherweise für den Einsatz in der Stromproduktion beschließen - dann aber wohl nur mit vielen Einschränkungen versehen, so dass er auch für Länder wie Deutschland tragbar wäre. Die EU-Kommission hat zudem noch ein Preisdeckelchen in Form einer kurzfristigen "dynamischen Obergrenze" auf den Märkten vorgeschlagen. Details hierzu bleiben vorerst offen.

Gemeinsamer Einkauf, neue Benchmark, Höchstpreise - all diese Maßnahmen werden die Energiekrise in Europa kaum lösen. Denn sie bekämpfen nicht die eigentliche Ursache der Preisexplosion: die fehlenden Strom- und Gasmengen. Um hieran etwas zu ändern, muss die Energieinfrastruktur in der EU ausgebaut werden - von den Strom- und Gasnetzen über neue LNG-Terminals bis hin zu zusätzlichen Erzeugungskapazitäten im Bereich der Erneuerbaren. Nur wenn diese Engpässe geschlossen und die Gasimporte weiter diversifiziert werden, wird es auch eine Entspannung an der Preisfront geben.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Andreas Heitker

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