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WAZ: Das Geld muss fließen

Archivmeldung vom 08.10.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.10.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Das Leben ist kompliziert genug. Ob eine Ratingagentur britische und portugiesische Banken herabstuft, muss den einfachen Bürger nicht interessieren. Oder doch? Vielleicht hilft ein Bild aus dem Jahr 2007, die Sinne zu schärfen: Hunderte Briten standen Schlange vor den Northern-Rock-Filialen. Sie wollten ihr Geld abheben, bevor die Bank pleite ging. Sie hatten das Vertrauen verloren, ihr Geld sei dort sicher. Damit das nicht auch in Deutschland passiert, stellten sich Merkel und Steinbrück hin und garantierten, das Geld der Sparer sei sicher. Dann pumpten sie Milliarden in Banken wie die HRE und Commerzbank.

All dies droht sich nun zu wiederholen, nur in noch größeren Dimensionen. Dutzende Banken in Europa brauchen frisches Geld. Auf Kosten auch der deutschen Bürger. Interesse geweckt? Warum wir Griechenland retten sollen, ist schon schwer genug zu vermitteln. Dass wir nun auch noch portugiesischen oder italienischen Banken unser Geld in den Rachen werfen sollen, erst recht. Zumal wenige Politiker Lust verspüren, Verständnis für die verhasste Finanzbranche zu wecken. Doch irgendwann müssen sie den Bürgern erklären, was im Ernstfall passieren würde. Wenn die Geldströme versiegen, erhalten Unternehmen keine Kredite mehr, sie entlassen Menschen und am Ende bricht die Realwirtschaft ein, auch in Deutschland. Dieser Teufelskreis darf sich nicht schließen, um keinen Preis. Verstehen lässt sich das nur, wenn man weiß, dass die so kalt wirkenden Finanzmärkte keineswegs nur auf Zahlen und Fakten basieren. Ihr eigentlicher Motor ist der denkbar weichste Wirtschaftsfaktor: Vertrauen. Andernfalls hätte die Schuldenkrise des kleinen Griechenland niemals einen solchen Flächenbrand auslösen können. Sie hat nach und nach Vertrauen zerstört. Zuerst das der eigenen Gläubiger. Die Pleitediskussion hat dann auch das Vertrauen in andere südeuropäische Staaten zerstört und schließlich das Vertrauen der Banken untereinander. Weil keine Bank genau weiß, wie stark die andere von der Krise betroffen ist, leihen sie sich gegenseitig kein Geld mehr. Geld, das fehlt, um die normale Wirtschaft mit Krediten zu versorgen, in der noch Stahl gekocht und Maschinen gebaut werden. Fazit: Die Politik hat gar keine Wahl: Sie muss klammen Banken helfen. Das ist bitter und ungerecht und wird ihr keinen Beifall einbringen. Schon eher, wenn sie im Gegenzug die Branche insgesamt stärker an der Rettung Griechenlands beteiligen würde. Mit einem echten Schuldenschnitt.

Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (ots)

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