Allg. Zeitung Mainz: Auf Tauchstation
Archivmeldung vom 15.05.2008
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.05.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittHeidemarie Wieczorek-Zeul ist ausnahmsweise einmal das, was sie sonst schon aus Prinzip nicht sein will: ein guter Kompromiss. Sie ist Sozialdemokratin der ersten Garnitur, zugleich Mitglied des Bundeskabinetts und somit nicht nur eine protokollgerechte Gesprächspartnerin für den Dalai Lama, sondern eine von nahezu salomonischem Format.
Die SPD verweigert sich damit nicht länger, und die Bundesregierung ist auch präsent. Der wiederholte Besuch des geistlichen und weltlichen Oberhaupts der Tibeter scheint weiten Teilen der Regierung momentan eher peinlich. Da hat die harte Reaktion Chinas auf den Empfang des Friedensnobelpreisträgers durch Bundeskanzlerin Merkel ihre Wirkung getan. Auch weiß man in Berlin nicht so recht, was es in derart kurzen Intervallen für den grundsätzlich hoch geschätzten Gast hier schon wieder zu suchen gibt. Rückendeckung für den neuen Dialog mit den Chinesen? Der Krach mit Peking hat sich gerade einigermaßen gelegt, da droht auf diesem Weg eine neue Runde des Konflikts, in dem Deutschland sich zwar standhaft zeigen, am Ende aber nur schmerzhaft unterliegen kann. Tatsächlich ist die Bundesrepublik von der Volksrepublik erheblich abhängiger als umgekehrt. Und wer im vergangenen Jahr Bundesaußenminister Steinmeier einmal im kleinen Kreis lauschen durfte, konnte hautnah den Eindruck gewinnen, dass der sonst eher diplomatisch Gelassene über dieses Thema flugs an den Rand seiner Fassung geriet, weil der Chefdiplomat durch die Geste Merkels seine gesamte Chinapolitik ins Wanken gebracht sah. Das soll sich nicht wiederholen; auch nicht aus Sicht der Union, die es dem hessischen Ministerpräsidenten Koch überlässt, seinen guten alten Freund zu empfangen. Berlin ist auf Tauchstation. Dort ist aktuell auch ganz gut sein; denn 2007 ging es beim Besuch des Dalai Lama für Gast und Gastgeber um Inhalte wie um Publicity. Das ist jetzt anders. Die damals gesetzten Zeichen müssen wohl bis auf weiteres reichen.
Quelle: Allgemeine Zeitung Mainz