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WAZ: Die SPD sucht ihren Kurs

Archivmeldung vom 15.01.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.01.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Eine Partei, die ernsthaft um Wähler kämpft, muss Entschlossenheit demonstrieren. Und sie muss glaubhaft nachweisen, dass sie selbst vom eigenen Kurs und von der eigenen Stärke überzeugt ist. Wenn Garrelt Duin, niedersächsischer SPD-Chef mit Sitz im Bundesvorstand, in diesen Tagen verkündet, die Sozialdemokraten hätten das Wahldebakel vom September "aufgearbeitet" und würden nun den Schalter umlegen, "und zwar auf Angriff", dann klingt dies allerdings weniger nach Selbstbewusstsein, als nach lautem Pfeifen im dunklen Wald.

Wahr ist: Die SPD hat mit der Aufarbeitung ihrer Wahlpleite noch gar nicht richtig begonnen. Am Anfang stünde eine schonungslose Analyse. Die Partei muss einen dramatischen Bedeutungsverlust konstatieren, der schon lange vor dem Ende von Rot-Grün begann. Bezogen auf alle Wahlberechtigten (also nicht allein auf jene, die auch zur Wahl gingen), sank der SPD-Anteil schon zwischen den Bundestagswahlen 1972 und 1987 von 41,4 auf 30,9 Prozent. Mit einem Zwischenhoch Ende der 90er Jahre, als Gerhard Schröder die Wähler in der Mitte für die SPD gewann, setzte sich dieser Trend fort. 2009 lag der SPD-Anteil, wieder gemessen an allen Wahlberechtigten, bei 16,1 Prozent. Für den Status einer Volkspartei reicht das längst nicht. Eine derart dramatische Entwicklung lässt sich eben nicht per Knopfdruck umkehren. Die SPD muss sich die Zeit nehmen, intern ihren Kurs zu definieren. Klärungsbedarf gibt es reichlich: Die Agenda 2010 und der Afghanistan-Einsatz - beide sind umstritten, obwohl einst von der SPD mitbeschlossen - stehen symptomatisch für die Orientierungslosigkeit der SPD. Ihre Position zur Linkspartei ist unscharf und sie hat bis heute keine Antwort auf die Frage gefunden, wie sie der Herausforderung dieser Konkurrenz im linken Lager begegnen will. Die SPD will die Gewerkschaften wieder stärker an sich binden, ohne gleichzeitig die Wirtschaft zu vergraulen. Die Liste ließe sich fortsetzen. Der immer noch neue Parteivorsitzende Sigmar Gabriel muss erst noch beweisen, dass er diese Herkules-Aufgaben schultern kann. Die SPD war immer dann stark, wenn sie die Mitte besetzte. Das galt für die Amtszeiten der Kanzler Schmidt und Schröder und ja, auch für Willy Brandt, der Anfang der 70er Jahre viele enttäuschte CDU-Wähler ins SPD-Lager zog. Derzeit scheint es so, als wollten es viele Sozialdemokraten auf einen Überbietungswettkampf mit der Linkspartei ankommen lassen. Hierbei könnte die SPD nur verlieren. Denn die Linke setzt auf Total-Opposition und kann sich deshalb jeden Populismus leisten. Die SPD aber will zurück an die Macht. Den richtigen Kurs dafür muss sie erst noch finden.

Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung

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