Lausitzer Rundschau: Mehr als bloß ein Kratzer
Archivmeldung vom 14.12.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Fall Wulff hat zwei Seiten. Die eine ist subjektiv und durchaus menschlich. Danach durfte der damalige niedersächsische Ministerpräsident von seinem alten Freund in Osnabrück einen Kredit für sein Haus nehmen. So was macht man überall unter guten Freunden. Danach durfte er auch das Haus des Freundes in Florida gratis nutzen. Alles ganz normal. Es gibt aber auch eine objektive Seite.
Nach der sind private Geschäftsbeziehungen zwischen Entscheidungsträgern des Staates und Personen der Wirtschaft streng verboten, natürlich auch ein Privatkredit eines Unternehmers für einen Ministerpräsidenten, erst recht ein geheimer Kredit in dieser Größenordnung von einer halben Million Euro. Nicht ohne Grund untersagt das Gesetz schon jedem kleinen Beamten die Annahme selbst kleinster Geschenke, denn schnell beginnt hinter der Bagatellgrenze ein Dunkelreich aus Abhängigkeit, Erpressbarkeit, Günstlingswirtschaft und letztlich Korruption. Wulffs Verhalten im niedersächsischen Landtag Anfang 2010 zeigt, dass er das durchaus begriffen hatte. Er verschwieg dem Parlament die Wahrheit, kunstvoll, ohne es direkt zu belügen. Aber anschließend löste er den Kredit eilends durch ein korrektes Darlehen ab. Wulff mag nun sagen, dass niemand ohne Fehl und Tadel sei. Stimmt, auch der Bundespräsident ist es nicht. Da er es sein sollte, ist das also keine Beruhigung. Aber mehr noch: Weil dies nicht der erste und einzige derartige Vorgang bei Wulff war, bleibt mehr als bloß ein Kratzer im Lack. Das ist inzwischen schon ein mittlerer Karosserieschaden, mit dem unser aller Staatsoberhaupt da nun herumfährt.
Quelle: Lausitzer Rundschau (ots)