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Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Griechenland

Archivmeldung vom 09.05.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.05.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Griechenland sitzt in der Schuldenfalle - und wir EU-Bürger gleich mit. Seit einem Jahr ist der gut 100 Milliarden Euro schwere Rettungsschirm über dem sonnigen Mittelmeerland gespannt. Doch von Rettung keine Spur. Im Gegenteil. Die Griechenlandkrise spitzt sich zu. Sie rüttelt an den Grundfesten des europäischen Finanzsystems, schürt die Wut der Griechen auf ihre Regierung und sorgt für Unmut an den deutschen Stammtischen.

Das Hauptproblem ist: Griechenland hat abgesehen vom Tourismus keinen nennenswerten Wirtschaftszweig, der dazu beitragen könnte, die Schuldenlast von mittlerweile 330 Milliarden Euro jemals tilgen zu können. Viele meinen daher, das EU-Land solle die Drachme wieder einführen. Dann könnten die Griechen ihre Währung kräftig abwerten, ihre Waren preiswerter ins Ausland verkaufen und so ihre Binnenwirtschaft ankurbeln. Warum also soll der deutsche Steuerzahler für die MIsswirtschaft der Griechen aufkommen? Doch so einfach ist es nicht. Tatsächlich wären die Folgen eines griechischen Euro-Ausstiegs fatal. Sobald der Staat bekannt gäbe, die Drachme wieder einzuführen, würden die Griechen ihre Konten plündern. Das griechische Bankensystem bräche zusammen - und müsste mit EU-Hilfe gestützt werden. Aber auch ausländische Banken, darunter deutsche, müssten auf Gelder in Milliardenhöhe verzichten. Allerdings: Sie haben hoch gepokert, und wer das tut, muss auch mit Verlusten rechnen. Mitgefühl wäre fehl am Platz. Und doch besteht die Gefahr, dass auch deutsche Banken in Existenznöte gerieten und - wieder einmal - mit Steuergeldern gestützt werden müssten. Das alles ist Theorie, Spekulation und zeigt doch, wie schwierig der Fall Griechenland ist. Das gilt auch für die EU-Politik. Zwar ist Griechenland wirtschaftlich gesehen nur so stark wie Niedersachsen. Aber ein Schuldenerlass Griechenlands und/oder die Rückkehr des Staates zur Drachme könnte den Druck der Finanzmärkte auf weitere Länder wie Portugal, Spanien und Irland erhöhen. Das Vertrauen in die EU und ihre Gemeinschaftswährung nähme Schaden. Die Idee von der durch den Euro geeinten Wirtschaftsmacht Europa, die sich gegen China und die USA behaupten will, droht wie eine Seifenblase zu platzen. Die europäische Politik steckt in einem Dilemma. Sie hat die Wahl zwischen Pest und Cholera. Entweder erlaubt sie Griechenland die Rückkehr zur Drachme mit den beschriebenen Folgen, oder die EU erlässt dem Staat einen Großteil der Schulden und zieht sich damit weiteren Zorn der Steuerzahler zu. Klar ist nur: So wie bisher kann es nicht weitergehen. Die Hilfe für Griechenland wird noch noch viele weitere Milliarden verschlingen - so oder so. Das ist der Preis, den die EU und ihre Bürger dafür zahlen müssen, dass Griechenland jahrelang über seine Verhältnisse gelebt hat. Und dafür, dass die EU dem griechischen Desaster jahrelang tatenlos zugesehen hat.

Quelle: Westfalen-Blatt

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