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Mittelbayerische Zeitung: zur großen Rolle der Deutschen in Europa.

Archivmeldung vom 31.12.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 31.12.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Ein Jahr der Deutschen geht zu Ende. Zugegeben, das hört sich ein wenig verwegen an. Dennoch: Die Deutschen spielten eine einzigartige Rolle. Zurückzuführen war dies weniger auf die Arbeit einer im Grunde seit ihrem Amtsantritt enttäuschenden Regierung, auch wenn einige Politiker erstaunliche Dinge taten und sagten. Es war vielmehr die Ende 2009 schon einmal totgesagte "German Angst", die in einer von Katastrophen und Krisen geplagten Welt zu mutigen und rettenden Entscheidungen führte.

Immer dann, wenn sie die Eckpfeiler ihres Daseins in Gefahr sehen, werden die Deutschen unruhig. Furcht vor der Zukunft, heftiges Grübeln - nicht nur das angelsächsische Ausland, das den Begriff der "German Angst" geprägt hat, schaut dann ein wenig spöttisch auf uns und übersieht eine wichtige Tatsache: In Zeiten, in denen die Deutschen Angst um ihre Umwelt, um ihre Ersparnisse oder um ihre Zukunft überhaupt haben, streben sie auch Lösungen an und finden diese. Aus der Unruhe entstehen Kreativität und Entschlossenheit. Die Welt fragte sich nach dem verheerenden Tsunami in Japan und der dadurch ausgelösten Kernschmelze im Atomkraftwerk Fukushima, warum gerade im 9000 Kilometer entfernten Deutschland das sofortige Abschalten alter AKWs und der komplette Ausstieg aus der Kernenergie bis 2022 beschlossen wurde. Hatte die dortige Regierung nicht erst kurz zuvor die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke beschlossen? Für die Deutschen aber war die Energiewende ohne Alternative, trotz aller Probleme, die aktuell und in Zukunft damit einhergehen. An sich sind die Deutschen technikbegeistert, aber es herrschte schon immer große Skepsis gegenüber der nicht vollends beherrschbaren Kernkraft. Logisch also, dass im Frühjahr 2011 angesichts der Stimmung im Land etwa der damalige bayerische Umwelt- und Gesundheitsminister Markus Söder sagte: "Fukushima hat alles verändert." Die Bundeskanzlerin reagierte ähnlich. Nun also spielen die auch dem Klimaschutz verpflichteten Deutschen Herkules: Der Anteil erneuerbarer Energie muss rasend schnell steigen, fossile Brennstoffe brauchen neue, öffentlich geförderte "saubere" Kraftwerke und gleichzeitig müssen neue Hochspannungs- und Verteilnetze in nie gekanntem Ausmaß entstehen. Immerhin: Die Industrie zieht voll mit. 370 000 Menschen arbeiten bereits in der Branche der erneuerbaren Energien. Gelingt der Kraftakt der Energiewende, werden andere Nationen nachziehen. Für die Spar(buch)-Weltmeister aus Deutschland gibt es ferner kaum Schlimmeres, als wenn ihre Ersparnisse in Gefahr sind. Insofern war es logisch, dass die Spitze der Bundesregierung auf der europäischen Ebene zwar bereit war, sich an einem Rettungsschirm für konkursbedrohte Euro-Länder zu beteiligen. Die wahre Lösung für die Deutschen bestand aber darin, dass sich Europa auf Haushaltsdisziplin mit gesetzlichen Schuldenbremsen verpflichtete. Da hatte Angela Merkel keinen Handlungsspielraum. Zwar müssen die genauen Regelungen noch bis März erarbeitet werden, aber nur so ist es möglich, die Staaten und damit deren Bevölkerung aus dem Finanzmarkt-Casino zu nehmen. Ein historischer Schritt, zumal ihn Frankreich mitging, während die Briten kniffen. Die Verhandlungsführung der Deutschen wird im Ausland zum Teil zwar kritisch kommentiert. In puncto Schulden und Bankenwesen sei ja auch in Merkel-Land nicht alles in bester Ordnung, heißt es. Aber im Großen und Ganzen herrscht Anerkennung für eine europäische Lösung, die letztlich von der "German Angst" befeuert wurde. 2011 hatte diese eine bisher unbekannte Wirkung; sie verlieh Flügel.

Quelle: Mittelbayerische Zeitung (ots)

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