In der Realität angekommen
Archivmeldung vom 05.08.2020
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Freigeschaltet durch André OttEs fällt zunehmend schwer, bei Bayer die Durchsicht auf das operative Geschäft zu behalten. Das liegt nicht etwa daran, dass die Leverkusener auf den Ausweis bereinigter Zahlen verzichten - eher das Gegenteil ist der Fall. Nachdem Ende Juni mit großem Tamtam der Vergleich zur Beseitigung der Klagewelle in den USA im Zusammenhang mit dem Herbizid Roundup verkündet wurde - Kostenpunkt: bis zu 10,9 Mrd. Dollar -, steht nämlich schon das nächste Settlement bevor.
Diesmal geht es um Klagen im Zusammenhang mit der Sterilisationsspirale Essure. Anhängig sind 32.000 Klagen. Der Vergleich steht noch aus, bilanziell vorgesorgt wird aber schon einmal mit 1,25 Mrd. Euro. Das erweckt beinahe den Eindruck, als käme es angesichts von Sonderlasten im Quartal von 12,5 Mrd. Euro auf die eine Milliarde mehr oder weniger auch nicht mehr an. Ganz abgesehen davon, dass bezüglich des Roundup-Vergleichs das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.
Im zweiten Quartal jedenfalls waren die Sonderfaktoren mehr als viermal so groß wie das bereinigte operative Ergebnis - eben nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Das lässt natürlich keinen Schluss auf die operative Entwicklung zu. Was diese betrifft, hatte Bayer allerdings auch keine gute Nachricht auf Lager, lässt sich die im Februar aufgestellte Jahresprognose doch nicht länger halten. Das sorgte weithin für Enttäuschung, zumal es gerade die segmentspezifischen Prognosen in sich haben. So wird im Pharmageschäft auch im Gesamtjahr mit einem Umsatzrückgang gerechnet. Cropscience, der Shootingstar des zweiten Quartals, wird im weiteren Jahresverlauf Federn lassen.
Nachdenklich stimmt aber insbesondere die erwartete Entwicklung beim freien Cashflow. Sollte die bei Investoren viel beachtete Kennziffer ursprünglich auf 5 Mrd. Euro anschwellen, schätzt sich Bayer nun schon glücklich, wenn 2020 kein Geld abfließt. Natürlich stehen dahinter erste Auszahlungen im Zusammenhang mit dem Roundup-Vergleich. Geld, das für andere Zwecke nicht mehr zur Verfügung steht. Das betrifft zum einen den Schuldenabbau, den Bayer eigentlich priorisieren wollte. Daraus wird nun nichts, statt der ursprünglich avisierten Rückführung der Nettofinanzverschuldung bis Ende 2020 auf 27 Mrd. Euro werden nun zum Jahresende Nettoschulden von 33 Mrd. Euro erwartet. Zum anderen hat eine ernüchternde Cashflow-Entwicklung auch Implikationen für künftige Dividendenzahlungen. Damit ist Bayer dann in der zahlungswirksamen Realität des Monsanto-Kaufs angekommen.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Annette Becker