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Lausitzer Rundschau: Der Börsencrash und die Bundesregierung Blindheit und Wunschdenken

Archivmeldung vom 23.01.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.01.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Heute gibt die Regierung ihre Wirtschaftsprognose für das Jahr 2008 bekannt, und die Zahlen von Minister Michael Glos (CSU) werden optimistisch sein. Kein Korrekturbedarf gegenüber dem Stand vom Sonntag, dem Tag vor dem schwarzen Montag an den Börsen. Nun ist Beruhigung zweifellos erste Wirtschaftsminister-Pflicht in solcher Situation. Aber auch Blindheit?

Das von der Bundesregierung vorausgesagte Wachstum von 1,7 Prozent liegt knapp über den 1,5 Prozent, unterhalb derer es wieder losgeht mit steigender Arbeitslosigkeit. Und selbst diese schon reduzierte Vorhersage beruht allein auf der Erwartung, eine stark steigende Binnennachfrage werde die Wirtschaft am Laufen halten. Der Export werde weniger wachsen - wohlgemerkt: weniger wachsen, nicht einbrechen. Diese Prognose ist blind gegenüber der Tatsache, dass der Exportweltmeister Deutschland mehr als alle anderen betroffen sein wird, wenn in den USA eine rezessive Phase beginnt und darüber hinaus die Weltkonjunktur sich abschwächt. Denn angesichts des anhaltend hohen Euro-Kurses war der Grenznutzen für deutsche Qualitätsprodukte in Übersee ohnehin schon erreicht. Was also, wenn der Export stagniert oder gar zurückgeht? Noch wackeliger steht die zweite Säule der Glosschen Prognose da, der Konsum. Es ist nicht mehr als Wunschdenken, das hier zu der Erwartung berechtigt, dieser werde um drei Prozent zunehmen. Die Nachrichten aus der Börsenwelt erschüttern das Grundvertrauen der Bürger. Zudem: Steigende Ölpreise und eine Inflation von mehr als zwei Prozent sind den Konsumenten nicht entgangen. Im letzten Jahr sanken die Realeinkommen erneut. Und die sich andeutende Krise wird manchen Erhöhungstraum in den anstehenden Lohnrunden arg dämpfen. Was also, wenn die drei Prozent Plus beim Konsum nicht erreicht werden? Es wäre besser, Glos würde den Bürgern heute klaren Wein einschenken: Noch sind wir gut aufgestellt. Aber der Aufschwung neigt sich dem Ende zu. Das Land kommt wieder in eine härtere Phase. Wir können nichts mehr verteilen, sondern müssen uns ganz auf unsere Zukunftsfähigkeit konzentrieren, auf Bildung, Forschung, Infrastruktur. Wir müssen unsere Sozialsysteme krisenfester machen, die Lohnnebenkosten weiter senken und den Bürgern mehr Netto vom Brutto geben. Wir dürfen in unseren Reformanstrengungen nicht nachlassen. Das müsste Michael Glos sagen. Aber er kann es nicht, selbst wenn er wollte. Denn er ist Wirtschaftsminister einer Großen Koalition.

Quelle: Lausitzer Rundschau

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