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Westdeutsche Zeitung: Kanzlerinnen-Dämmerung

Archivmeldung vom 20.09.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.09.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Nun ist sie also kaum noch zu übersehen: die erste Kanzlerinnen-Dämmerung in der Geschichte der Republik. Dass Angela Merkel die Gesundheitsreform, also das mutmaßlich wichtigste Projekt ihrer Kanzlerinnenschaft, verschieben musste, war schon ein erstes Indiz für den Zerfallsprozess ihrer Macht.

Dass sie es nun aber darauf ankommen lassen will, den Vermittlungsausschuss über Details der Reform entscheiden zu lassen, ist eine Kapitulationserklärung vor den eigenen Unions-Ministerpräsidenten.

Wie will Merkel das eigentlich der Öffentlichkeit erklären? Union und SPD haben in Bundestag und Bundesrat riesige Mehrheiten - und dann soll der Vermittlungsausschuss entscheiden, so wie in den schlechtesten Zeiten der Regierung Schröder? Immer wieder hat die Kanzlerin mit Blick auf die schmucke Riege "ihrer" Ministerpräsidenten von dem starken Personal-Tableau der Union geschwärmt. In der Tat: Im Vergleich zur dürftigen Personaldecke der Sozialdemokraten ist dieses schon beeindruckend. Doch die vermeintliche Stärke der Union entpuppt sich zunehmend als größte Schwäche Merkels.

Jeder Landesfürst will auch im Bund eine wichtige Rolle spielen. Und wenn das, wie beim Fürsten des größten Landes, auf Anhieb nicht so gut funktioniert - die Rede ist von NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers -, dann macht der eben so lange Radau, bis auch der letzte Staatssekretär in der Regierung Merkel begriffen hat, dass Rüttgers viel mehr ist als (Zitat Merkel) "unser kleiner Reformer aus Düsseldorf": nämlich mindestens ein großer Reformer. Das alles nennt sich Machtpolitik, weil es nicht zuerst um die Sache geht - nicht darum, die CDU sozialer auszurichten, und auch nicht darum, aus einer verkorksten doch noch eine gute Gesundheitsreform zu machen. Gute Nacht, Kanzlerin!

Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Zeitung

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