Westdeutsche Zeitung: Seinen Beck wegbekommen
Archivmeldung vom 14.12.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEin Vollbart, zwei Nasen-Piercings, dazu lange, ungepflegte Haare, die teilweise blond gefärbt sind: Nicht viele Menschen würden einem wie Henrico F. einen Job geben - auch FDP-Generalsekretär Dirk Niebel nicht, der nun oberschlau zu Protokoll gibt, Arbeitslosigkeit lasse sich nicht allein durch Körperpflege bekämpfen.
Wer hätte das gedacht? "Wenn Sie sich waschen
und rasieren, haben Sie in drei Wochen einen Job", soll SPD-Chef Kurt
Beck dem Arbeitslosen Henrico F. entgegengeblafft haben, nachdem
dieser eine SPD-Veranstaltung in Wiesbaden gestört hatte. Mag sein,
dass diese Aussage instinktlos war. Aber ein Skandal ist der Vorgang
nicht. Er regt höchstens jene auf, die sich aufs Aufregen
spezialisiert haben.
Natürlich - und das weiß gerade ein Vollblut- und
Vollbart-Politiker wie Kurt Beck - hat man nicht schon deshalb "in
drei Wochen einen Job", weil man sich wäscht und rasiert. Aber ein
schlechter Anfang wäre es auch nicht. Es würde nämlich zeigen, dass
man bereit ist, sich in eine Gesellschaft zu integrieren, in der
jeder seinen Beitrag zum Funktionieren des Ganzen leistet. Jemand wie
Henrico F., der den Grund für seine Arbeitslosigkeit mal zunächst bei
anderen sucht, statt bei sich selbst anzufangen, der muss vielleicht
auch mal sein Fett, genauer: seinen Beck wegbekommen, um aufzuwachen.
So haben am Ende alle etwas gelernt: Der Arbeitslose putzt sich lieber, statt zu pöbeln, und Kurt Beck hilft künftig verstärkt mit Tat als mit ungebetenem Rat. Und wenn sich die Boulevard-Presse echauffiert und dicke Anti-Beck-Schlagzeilen produziert, packen wir die Goldwaage wieder ein und betrachten den Satz des SPD-Chefs als das, was er ist: eine unbedachte, schnelle Reaktion auf eine ungepflegte Provokation. Spitzenpolitiker sind eben auch nur Menschen. Wirklich!
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Zeitung