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Berliner Morgenpost: Von Unterschieden kann man nur lernen

Archivmeldung vom 30.10.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.10.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Es gibt kein Vorurteil, das sich nicht durch wissenschaftliche Studien untermauern ließe. Das weiß jeder, der sich durch die Flut der Expertisen zahlloser Institute und Verbände wühlt, die über die Medien heutzutage Verbreitung finden. Und so wird mancher Mitbürger in den nun schon gar nicht mehr so neuen Bundesländern die Augenbrauen hochziehen, wenn er in dieser Zeitung von einer "tiefenpsychologischen Studie über die Menschen zwischen Chemnitz und Rostock" liest.

Aber die Studie wird auch den der vielen Ost-Klischees müden Leser im deutschen Osten angenehm überraschen. Auf einen Punkt gebracht, ergibt sie, dass die Mentalitäten und Prägungen der Menschen auf dem Territorium der ehemaligen DDR genauso vielfarbig daherkommen wie überall auf der Welt. Nur sind die Farben teilweise andere, weil diktatorische Systeme eben Spuren bei den Menschen hinterlassen - im Guten wie im Schlechten. Und das ist eine generationenübergreifende Erscheinungsform - wie bei vielen schlechten Erfahrungen von anderen großen Bevölkerungsgruppen oder Ethnien auch. Die Studie des west(!)deutschen Rheingold-Instituts im Auftrag der ost(!)deutschen Zeitschrift "Super-Illu" lenkt das Interesse auf das Typische am Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschen, und das in all seiner jeweiligen Verschiedenheit. So ist der Typus des "trotzenden Stehaufmännchens" ebenso wie der des "genügsamen Durchwurschtlers" mit jeweils 20 Prozent der größte Einzelposten. Das dürften Mentalitätsprofile sein, die es auch im Westen mit ähnlicher Häufigkeitsverteilung gibt. Nur sind die Gründe dafür, so geworden zu sein, eben völlig unterschiedliche, und deshalb auch in der Konsequenz für das Verhalten der Menschen anders. Beispiel: Trotz und Widerständigkeit haben unter der Knute der SED-Diktatur oft in Formen des Rückzugs in die Innerlichkeit, in die Familie oder andere Schutzräume des Vertrauens Ausdruck gefunden. Das Naturell widerständiger Charaktere in einer offenen Gesellschaft sucht und findet seine Ausdrucksformen eben viel leichter im extrovertierten Sich-selbst-zur-Schau-Stellen und im Erleben von Öffentlichkeit als Resonanzkörper und -verstärker. Beides prägt Umgangsformen, Sprache, Selbsterleben und vieles mehr in sehr unterschiedlicher Art und Weise. Es lässt die Menschen anders erscheinen, weil sie anders geworden sind. Obwohl die Ausgangspunkte in beiden Fällen bei den entsprechenden Charakteren vielleicht sehr nahe beieinanderlagen. Und ob zwei so gewordene - der eine dort, der andere da - sich gegenseitig erkennen und verstehen können als Brüder im Geiste ihrer Widerständigkeit, ist höchst ungewiss. Deshalb fällt es eben bis heute vielen Ost- und Westdeutschen nicht leicht, einander unmittelbar zu verstehen, auch wenn die Grundmuster ähnlich sein mögen - die Bezugspunkte der jeweiligen Erfahrung sind es eben nicht. Dieser Erfahrungsschatz der Unterschiedlichkeit ist noch lange nicht gehoben - den Wert dieser Ungleichheit sollten wir schätzen lernen.

Quelle: Berliner Morgenpost

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