Lausitzer Rundschau: Keine gemeinsame Sprache Polen, Russland und die Tragödie von Smolensk
Archivmeldung vom 03.08.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAls der russische Ministerpräsident Wladimir Putin im April an der Absturzstelle der polnischen Präsidentenmaschine seinen Warschauer Amtskollegen Donald Tusk spontan umarmte, feierten die Medien an der Weichsel diesen Moment als historischen Wendepunkt in den schwierigen polnisch-russischen Beziehungen. Empathie gehörte bis dato nicht zum gemeinsamen Wortschatz. Den dominierten Begriffe wie Katyn, Kommunismus, Krieg und Raketensystem. Doch angesichts der Katastrophe von Smolensk demonstrierten auch die Menschen in Russland ihr Mitgefühl mit dem polnischen Volk. Jetzt, nur knapp vier Monate später, scheinen sich die alten Fronten wieder zu verhärten.
Die polnischen Ermittlungen zur Aufklärung des Absturzes geraten ins Stocken, Moskau halte wichtige Akten zurück, so der Vorwurf. Polnische Politiker und Publizisten aus dem nationalen Spektrum verbreiten Verschwörungstheorien. Der selbstbewusste Präsident Kaczynski und seine Leute seien Moskau zu unbequem geworden. Die Gräben wirken tiefer als zuvor. Beide Eindrücke sind übertriebene Interpretationen der Wirklichkeit. Die nicht zuletzt von Teilen der polnischen Presse genährt werden. Die Beziehungen zwischen Moskau und Warschau sind historisch empfindsam und hoch kompliziert. Noch immer begegnen sich die politischen Führungen mit Misstrauen. Polen unterstützt aktiv eine stärkere Einbindung der sowjetischen Nachfolgestaaten in die Strukturen von Nato und EU. Die Ex-Weltmacht Moskau ignoriert den einstigen Satellitenstaat weitgehend und verhandelt lieber bilateral mit Washington, Paris und Berlin - dabei lässt der Kreml gern seine Rohstoff-Muskeln spielen. Davon zeigt sich Warschau wiederum unbeeindruckt, spielt doch russische Energie keine Rolle an der Weichsel. Die gemeinsame Aufklärung der Jahrhundert-Tragödie von Smolensk erfordert nun eine vertrauensvolle Zusammenarbeit politischer und juristischer Kreise beider Länder. Darin fehlt ihnen jedoch die Erfahrung und das Personal. Eingespielte, bilaterale Kommunikationskanäle zwischen Moskau und Warschau gibt es nicht. Es muss ein gemeinsamer Umgang, eine gemeinsame Sprache erst entwickelt werden. Dass sich jetzt polnische Ermittler mit ihrem Frust an die Presse wenden, ist Ausdruck von Hilflosigkeit. Doch die polnischen Medien greifen gerne zu. Schließlich lässt sich an der Weichsel mit historisch aufgeladenen Themen Auflage machen.
Quelle: Lausitzer Rundschau