WAZ: Beck will SPD-Spitze erneuern: Es fehlt die Strategie für die Zukunft
Archivmeldung vom 20.04.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie trostlosen Umfragewerte für die SPD kreisen immer enger um ein Problem. Es heißt Kurt Beck. Nach einem Jahr im Vorsitz zeichnet ihn ein erstaunlich hoher Unbekanntheitsgrad aus. Zwei Drittel der Deutschen kennen ihn nicht, und inzwischen würden sogar mehr Anhänger der Sozialdemokraten Angela Merkel und nicht Kurt Beck ins Kanzleramt wählen wollen.
Weil ein Personalproblem in
Führungsverantwortung sich üblicherweise nicht selbst abschafft,
sondern untergeordnete Probleme löst, überrascht es kaum, dass Beck
Veränderungen in den Parteigremien vornehmen will. Es ist nur
ungewöhnlich, dass er das ankündigt, ohne Namen zu nennen.
Weil Becks Stellvertreter bis auf Peer Steinbrück noch
unbekannter sind als er selbst, muss er die Hoffnungsträger der
Partei um sich scharen. Unter den Frauen hat er Hannelore Kraft und
Andrea Nahles im Blick. Unter den Männern sind es vor allem Minister,
weil Vizekanzler Franz Müntefering die SPD-Riege im Kabinett mit Peer
Steinbrück, Frank-Walter Steinmeier, Sigmar Gabriel und sich selbst
denkbar hochkarätig besetzt hat. Gabriel dürfte in der Partei nach
vorn rücken, und auch der Parlamentarische Geschäftsführer Olaf
Scholz hat eine aussichtsreiche Zukunft.
Die begrenzte Zahl der Hoffnungsträger kann Beck schwerlich
erweitern, er muss sie mit Rücksicht auf die Balance der Flügel, den
Frauenanteil und den Proporz der Länder nach Kräften als
Stellvertreter oder im Präsidium zur Geltung bringen. Da alle
genannten Personen ohnehin erfolgreich die verbliebenen Hoffnungen
durch die Öffentlichkeit tragen, bleibt es fraglich, ob ihre
Aufwertung innerhalb der Partei die Wahrnehmung von Wählern positiv
beeinflussen kann. Möglicherweise will Beck zunächst auch vor allem
die Wahrnehmung seiner eigenen Person innerhalb der Partei günstig
beeinflussen, Handlungsfähigkeit demonstrieren, seine Machtposition
verdeutlichen und ein Netzwerk um sich bilden.
Entscheidend aber wird sein, ob und wie schnell es Beck gelingt,
die Kommunikation in der Führung so zu verbessern, dass sie ein
wahlkampftaugliches Konzept nicht nur zustande bringen, sondern auch
geschlossen vertreten kann. Etwas Mindestlohn hier, etwas
Oettingerkritik da und etwas Friedenspolitik dort - das kann auch mit
neuen Personen keine Strategie für die Zukunft sein.
Im Mittelpunkt der schlecht funktionierenden Kommunikation steht das Verhältnis zwischen Beck und Müntefering. Offiziell ist es gut. Besser für Beck wäre es, wenn es auch in Wahrheit gut wäre.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung