Westdeutsche Zeitung: Missratener Mitgliederentscheid als Riesenproblem für die FDP
Archivmeldung vom 13.12.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWer zwar in der Regierung sitzt, aber laut Umfragen zur Splitterpartei zu verkommen droht, hat sowieso schon ein Riesenproblem. Der zumindest kommunikativ und damit in der öffentlichen Wirkung missratene Mitgliederentscheid zum Euro-Rettungsschirm macht für die FDP alles noch schlimmer. Vor allem der Parteivorstand hat sich ein schlimmes Eigentor geleistet, als er demonstrierte, dass er von innerparteilicher Demokratie nichts hält.
Das ist unprofessionell - und auch mit extremer Nervenanspannung nicht zu entschuldigen. Man kann nicht mehrere Tage vor Ablauf der Abstimmung verkünden, dass die erforderliche Beteiligung nicht erreicht wird. Auch steht der unangenehme Verdacht im Raum, die Wahlunterlagen bewusst reichlich chaotisch ausgegeben zu haben, um den Mitgliedern das Mitmachen zu erschweren. Dann muss sich der Sprecher der innerparteilichen Opposition als "David Cameron der FDP" bezeichnen lassen. Logisch, dass so etwas nicht nur die Euro-Skeptiker innerhalb der Partei mobilisiert, sondern das Gerechtigkeitsempfinden vieler demokratisch und freiheitlich Denkender verletzt. Jetzt kann das Problem noch wachsen, wenn aufgrund der Vorfälle die Zahl der Abstimmenden rapide ansteigt - im für die Parteispitze unangenehmsten Fall auf die erforderlichen 21 500. Dass gestern Stillschweigen über die Zahlen herrschte, könnte ein Indiz dafür sein. Und dass die Mehrheit sich gegen den Rettungsschirm - und damit gegen den Kurs der Bundesregierung - entscheidet, ist wahrscheinlich. Die junge Führungsmannschaft der FDP, der 38-jährige Philipp Rösler und der 32-jährige Christian Lindner, werden in den nächsten Tagen zittern, wenn unter Aufsicht eines Notars bis Freitag die Stimmen ausgezählt werden. Denn selbst bei einem nicht erreichten Quorum können sie ein solches Stimmungsbild nicht völlig ausblenden. Die Frage, ob der FDP-Generationenwechsel zu rasch ablief, wird lauter werden. Wobei es unfair wäre, den jungen Liberalen ihre Qualitäten abzusprechen. Aber wahrscheinlich kam alles zu schnell für sie. Es könnte sogar die große Stunde des an der Basis sehr beliebten Rainer Brüderle anbrechen, den die Führung beim Dreikönigstreffen derzeit nicht einmal reden lassen will.
Quelle: Westdeutsche Zeitung (ots)