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Rheinische Post: Zwei Kandidaten - eine Meinung

Archivmeldung vom 04.09.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.09.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Eines muss man nach dem TV-Duell sagen: Deutschland hat zwei überzeugte und vernunftgesteuerte Demokraten, die sich für das Amt des Regierungschefs bewerben. Das ist angesichts der Populisten und Autokraten, die anderswo regieren, nicht das Allerschlechteste.

Tja, und sonst? Die Hoffnung der SPD, dass im Duell eine nicht nur graduelle, sondern klare Alternative zur populären Kanzlerin präsentiert würde, erfüllte sich nur teilweise. In der zentralen Frage der Flüchtlingspolitik konnte Schulz keinen Unterschied kenntlich machen. Merkel hatte im Sommer 2015 auf Bitten des österreichischen Kanzlers und abgestimmt mit dem SPD-Außenminister und dem französischen Präsidenten entschieden. Schulz' Vorwurf eines Alleingangs in Europa verfing nicht. Dass die Regierungschefin die Grenzen nicht sofort wieder schließen wollte, begründete Merkel ungewöhnlich deutlich mit dem Argument, man konnte nicht "mit Wasserwerfern gegen Tausende Flüchtlinge" vorgehen. In der sensiblen Frage des Familiennachzugs für Flüchtlinge waren sich beide wiederum einig.

Dafür war Schulz in der Türkeifrage pointierter, entschiedener. Er forderte einen Stopp der Beitrittsgespräche. Damit dürfte er angesichts der Tiraden aus Ankara vielen Menschen aus dem Herzen gesprochen haben. Merkel war dagegen gefangen im Korsett der Amtsinhaberin, argumentierte vorsichtig, versteckte sich hinter der Einstimmigkeit in der EU. Verkehrte Welt. Vor zehn Jahren kämpfte die SPD noch für den Türkei-Beitritt, die CDU blockierte. Dass Schulz einen schiitischen Philosophen zitierte, der den Islam als Friedenskraft deklarierte, wirkte indes peinlich.

Entscheidungshilfe für die Unentschiedenen lieferte die Debatte kaum. Beide wollen Steuern für mittlere Einkommen senken, beide sprachen sich (bei der Kanzlerin überraschend!) gegen die Rente mit 70 aus. Der SPD-Herausforderer kritisierte das Engagement des SPD-Altkanzlers Gerhard Schröder beim russischen Ölkonzern Rosneft. Merkel nickte. Und so weiter. Die soziale Gerechtigkeit kam nur als Beiwerk vor, die große digitale Frage gar nicht. Mehr als nur ein Fauxpas der Moderatoren.

Fazit: Der meist souverän und schlagfertig angreifende Sozialdemokrat Schulz hat auch nach diesem Duell ein Problem: Alles, was er forderte, sah Merkel ähnlich oder - noch schlimmer für Schulz - hatte es irgendwie schon mit Sozialdemokraten durchgesetzt. Die Kanzlerin hatte sich zu Beginn des Duells als Politikerin von "Maß und Mitte" bezeichnet. SPD-Mann Schulz forderte "Mut zum Aufbruch".

Es spricht viel dafür, dass die Deutschen Ersteres wählen und Letzteres als Koalitionspartner bekommen.

Quelle: Rheinische Post (ots)

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