NRZ: Die Türkei taumelt Richtung Abgrund
Archivmeldung vom 02.01.2017
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Freigeschaltet durch André OttDas neue Jahr hat schrecklich begonnen. Erneut hat der Terror zugeschlagen, erneut sind ihm unschuldige Menschen zum Opfer gefallen. Und wieder hat es die Türkei getroffen. Das Land taumelt langsam dem Abgrund entgegen. Präsident Recep Tayyip Erdogan scheint die Kontrolle zu verlieren. Erdogan hat sich an zu vielen Fronten verzettelt. In der Türkei kämpft er gegen die Medien, die linke - alevitisch geprägte - Opposition, die Anhänger des Predigers Gülen und gegen die kurdische Autonomiebewegung im Südosten des Landes.
In Syrien verbluten türkische Soldaten bei Al Bab im Krieg gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat", die jahrelang zumindest durch aktives Wegsehen von Ankara unterstützt wird - und deren Handschrift auch der Terroranschlag von Istanbul trägt. Der türkische Präsident hat auch deshalb noch immer einen großen Rückhalt in der Bevölkerung, weil er den Menschen Sicherheit und Wohlstand versprochen hat - und dieses Versprechen lange einlösen konnte.
Jetzt rückt zwar die Realisierung seines großen Traums von einem Präsidialsystem näher, in dem er zum Alleinherrscher würde; gleichzeitig erodiert seine Machtbasis. Sicherheit gibt es nicht mehr in der Türkei, die Wirtschaft schwächelt.
Erdogan macht dafür sinistre Kräfte im Ausland verantwortlich. Wie lange ihm die Bevölkerung das glauben und ihm die Treue halten wird, ist ungewiss. Genauso ungewiss ist, wie lange sich das Militär das zunehmende Chaos anschauen wird. Bis es zum nächsten Putschversuch kommt, ist wohl nur eine Frage der Zeit.
Quelle: Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung (ots) von JAN JESSEN