Lausitzer Rundschau: Verwirrspiel um Regierungskrise im Nachbarland Polen
Archivmeldung vom 18.07.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittRegierungskrisen sind nichts Ungewöhnliches. Wo Koalitionen und Kompromisse geschlossen, Zugeständnisse auch gegen eigene politische Überzeugungen gemacht werden, da kann es schnell im politischen Alltagsgetriebe knirschen. Und dennoch treibt die Koalitionskrise im Nachbarland Polen seltsame Blüten.
Vor allem, weil
nicht einmal Insider genau sagen können, wem was zu glauben ist: Da
stellt Regierungschef Jaroslaw Kaczynski seinem Vize von der
radikalen Bauernpartei Samoobrona, Andrzej Lepper, den Ministerstuhl
vor die Tür. Für die Polen würde der Verdacht der Verwicklung in
einen Schmiergeldskandal durchaus zum mehrfach vorbestraften
Landwirtschaftsminister passen. Zugleich berichten polnische Medien
jedoch, dass es gar keinen Korruptionsfall Lepper gibt. Vielmehr
handele es sich um eine Inszenierung von Kaczynski und seinem
Vertrauten Marius Kaminski, die den aufmüpfigen Bauernführer kalt
stellen wollten. Kaminski steht der damit längst ins Zwielicht
geratenen, vom Ministerpräsidenten eingesetzten und der Kontrolle des
Parlaments entzogenen Antikorruptionsbehörde vor.
Bisher ist diese Verschwörungstheorie von Kazcynski nicht entkräftet
worden, was der machtbewusste Lepper für sich nutzt. Obwohl seine
Partei bereits das Ende der Regierungskoalition beschlossen hat,
belässt sie es in Leppers Hand, den Schlussstrich zu ziehen. Was
dieser zu Machtspielchen nutzt. Er verkündet sogleich die Fusion des
dritten Koalitionspartners, der Nationalistischen Liga Polnischer
Familien (LPR), mit seiner Samoobrona zum neuen Parteienblock LiS
verkündet. LiS, das heißt auf Polnisch Fuchs. Und genau so schlau
sieht sich Lepper im Warschauer Machtpoker. Heute zeigt er sich als
Staatsmann und kündigt die Koalition nicht auf, weil "Polen, unser
Polen, über politischen Ambitionen" stehe. Und morgen schmiedet er
bereits an Plänen, bei noch immer nicht auszuschließenden baldigen
Neuwahlen wieder ins Rampenlicht zu kommen. LiS-tig, Herr Lepper.
Doch wie immer dieses Machtgeplänkel im Polen der Kaczynski-Zwillinge
endet: Europa bekommt hier exemplarisch vor Augen geführt, dass eine
Strukturreform in der Union überfällig ist. Wenn eine solch instabile
Regierung wie die polnische zurzeit fast im Alleingang Fortschritte
in Europa verhindern kann, sind Entscheidungsstrukturen nicht mehr
zeitgemäß. Polen, das sich gerade noch als europäischer Bestimmer
aufspielen wollte, macht mit seiner Regierungskrise nun ungewollt
Druck auf Veränderungen in der EU.
Quelle: Pressemitteilung Lausitzer Rundschau