WAZ: Die Türkei, der Irak, die Koalition: Nun auch noch Streit um die Außenpolitik
Archivmeldung vom 11.12.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs gibt ohnehin nicht sehr viele Gründe, diese Berliner Regierung toll zu finden, oder auch nur: verlässlich, berechenbar, zukunftsorientiert, nah bei den Menschen, etc. Das ist schon deshalb bedauerlich, weil von der Akzeptanz der Regierung immer auch die Stabilität von Demokratie abhängt. Und weil wir keine zweite Demokratie sozusagen in der Hosentasche mit uns herumtragen, wäre es für alle Beteiligten besser, wir würden anständig regiert.
Seit Bismarcks Zeiten gilt die Gestaltung der äußeren
Angelegenheiten als Königsdisziplin in der Politik. Der zweite
außenpolitische Grundsatz lautet: verlässlich agieren, extreme
Ausschläge vermeiden. Mit anderen Worten, erst das Land, dann die
Partei. Und der dritte heißt deshalb: Streit vermeiden, denn der hat
nicht nur innenpolitische Folgen, sondern wirkt auch im und auf das
Ausland. Eine Regierung, die über die Außenpolitik streitet,
gefährdet ihren Einfluss auf der internationalen Bühne.
Darum ist der offene Streit zwischen der Regierungschefin und
ihrem Außenminister mindestens eine außerordentliche Peinlichkeit
mehr in der erst kurzen Geschichte dieser unglücklichen Regierung,
die sich neuerdings selbst ihre eigenen Gesetze vom Staatsoberhaupt
kassieren lassen muss. Sachlich ist der Konflikt schnell erklärt:
Merkel ist dafür, der EU-Kommission zu folgen und die
Beitrittsverhandlungen mit der Türkei auszusetzen, weil die Union
grundsätzlich gegen eine Vollmitgliedschaft Ankaras eintritt.
Steinmeier will auf das flaue Angebot Ankaras eingehen, weil die SPD
grundsätzlich die Türkei in der Europäischen Union sehen will. Merkel
will, auch weil die USA drängen, dass Deutschland im Irak mehr als
nur diplomatisch hilft. Steinmeier will es gerade darum nicht.
Wieder einmal denkt die Regierung nicht ans Volk, konfrontiert die Menschen mit Entscheidungsschwäche, anstatt entschlossene Stärke vorzuführen und damit ihr Ansehen zu verbessern. Sie ist mit Regierungsinterna stärker beschäftigt als mit Regieren. Weshalb stimmen sich Merkel und Steinmeier, zumal in so wichtigen Fragen, nicht ab, bevor sie sich öffentlich äußern? Und wenn schon die Kanzlerin und der Außenminister das nicht für nötig halten, weshalb sollten sich andere aus den Fraktionen oder den Bundesländern von mahnenden Worten, nicht ständig querzureden, noch disziplinieren lassen? Und, bescheidene Frage: Hat nicht die Kanzlerin als solche die Richtlinienkompetenz, und gilt das etwa nicht erst Recht für Angelegenheiten, die wichtiger sind als etwa der Streit um Mindest- oder Kombilöhne?
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung