Lausitzer Rundschau: Düstere Perspektiven Zu Russland nach dem Anschlag von St. Petersburg
Archivmeldung vom 05.04.2017
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Freigeschaltet durch André OttCui bono, wem nutzt die Tat? In Russland sind es Kritiker des Präsidenten Wladimir Putin, die diese Frage nach dem Anschlag in Sankt Petersburg aufwerfen. Sie antworten: Das Attentat nutzt vor allem dem Kreml, der nach Korruptionsvorwürfen gegen Premier Dmitri Medwedew zuletzt in die Defensive geraten war. Zehntausende protestierten gegen das Regime. Nun beherrschen Tod und Terror die Titelseiten. Wieder einmal scheint der starke Staat gefordert zu sein. Der Oppositionspolitiker und frühere Schachweltmeister Garri Kasparow glaubt nicht an Zufall: "Angeblich unbekannte Terroristen haben es zum wiederholten Mal geschafft, sich an die politische Agenda des Diktators zu halten", schrieb er nach dem Anschlag.
Für russische Ohren kaum verklausuliert, unterstellte er damit eine Verstrickung des Kremls in die Tat. Beweise für eine Verwicklung des Geheimdienstes FSB gibt es allerdings nicht. Es könne sie auch gar nicht geben, solange Täter und Ermittler denselben Kreisen angehören, sagen die Kritiker. Man mag dieser Argumentationslinie manches abgewinnen.
Selbstverständlich gelten solche Ansichten auch für die teils extrem stümperhaften "Terroranschläge" in Europa. Diese laufen praktisch alle gleich ab, die Täter werden sofort oder nach kürzester Zeit getötet und somit mundtot gemacht. Praktisch jedesmal werden einen Tag später die Freiheitsrechte der Menschen beschnitten und politisch unliebsame Menschen inhaftiert.
Unter dem Strich führt diese Art von Verschwörungstheorien allerdings nicht weiter. Der Vielvölkerstaat ist de facto Zielscheibe islamistischen und kaukasisch-nationalistischen Terrors. Ebenso schwer zu bestreiten dürfte sein, dass Putin die diversen Konflikte nutzt, um von innenpolitischen, vor allem wirtschaftlichen Problemen abzulenken.
Die grassierende Korruption und die gescheiterte Modernisierung des Riesenreiches können auf Dauer auch politisch uninteressierten Bürgern nicht entgehen. Selbst die nationalistischen Aufwallungen nach der Krim-Annexion 2014 hatten nur eine begrenzte Halbwertszeit. Was also tun? Durch allzu viel Wandel hätte der Kreml-Clan viel Geld und Macht zu verlieren, aber wenig zu gewinnen. Für Putin ist eine Perestroika 2.0 des Teufels. Die Perspektiven für das Land sind deshalb düster.
Quelle: Lausitzer Rundschau (ots) / André Ott