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Börsen-Zeitung: Willkommen in Willkürland, Kommentar zu Cum-cum-Geschäften

Archivmeldung vom 20.07.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.07.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Als Leser der Börsen-Zeitung sind Sie vermutlich nicht gerade auf den Kopf gefallen. Womöglich haben Sie sogar eine Hochschulausbildung genossen. Haben Sie dank Ihrer Qualifikation einmal den Versuch unternommen, eine nur ein wenig außerhalb des Alltäglichen liegende steuerrechtliche Frage durch das Studium von Fachliteratur oder Internetrecherche so zu beantworten, dass Sie sich danach auf der sicheren Seite fühlten und ein gutes Gewissen hatten? Haben Sie, weil dieser Versuch hierzulande erkennbar ein untauglicher ist, zwei, drei Steuerberater um Hilfe ersucht und von ihnen zwei, drei gegensätzliche Auskünfte bekommen?

Ja, das kennen wir alle. Dazu bedarf es keiner persönlichen Erfahrung mit steuergestaltenden Cum-ex- oder Cum-cum-Aktiengeschäften. Das deutsche Steuerrecht ist marode, vielleicht ist es sogar verfassungswidrig. Nach Überzeugung des früheren Bundesverfassungsrichters Paul Kirchhof sind manche der einschlägigen Gesetze wegen Unverständlichkeit und Widersprüchlichkeit nicht einmal ordnungsgemäß verkündet.

Heute geht es um "Cum-cum". Das Bundesfinanzministerium hat - aus Sicht der Finanzaufsicht BaFin mit möglichen Folgen für die Solvenz der Banken - in einem zwölfseitigen Rundschreiben seine neueste Auffassung zur steuerlichen Behandlung solcher Transaktionen zum Besten gegeben. Demnach sind die meisten dieser Geschäfte nun als rechtswidrig einzustufen - rückwirkend! Der deutsche Staat führt also durch eine mindestens irreleitende Gesetzgebung einen unklaren Rechtszustand herbei, duldet dann jahrelang oder provoziert sogar ein daraus abgeleitetes Verhalten der Rechtssubjekte, um diese schließlich hinterher wissen zu lassen, sie hätten das Recht missbraucht und sich gar strafbar gemacht. Und wenn es noch ganz dumm läuft, wird wegen drohender Steuernach- und Strafzahlungen mal eben eine Bank dichtgemacht. Willkommen in Willkürland.

Das hier vorgegebene Kriterium für einen Missbrauch - wenn Cum-cum allein dem Ziel dient, Steuern zu sparen - ist so abwegig, wie das Vorgehen des Ministeriums dreist ist. Man muss ja die Steuergestalter in Banken oder Unternehmen nicht gleich generell für Sympathieträger halten. Aber seit wann ist Steuervermeidung ein Delikt? Wozu dienten denn die vom deutschen Fiskus geförderten Bauherrenmodelle? Und wozu, wenn nicht zur Steuervermeidung, wurden nach der Wende Ost-Immobilien gekauft (die sich für die Anleger meist als Schrott erwiesen)? Da müssen wohl die Finanzminister Beihilfe zur strafbaren Steuerhinterziehung geleistet haben.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Bernd Wittkowski

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