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Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Kinderbuch »Wo bitte geht's zu Gott?«

Archivmeldung vom 06.03.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.03.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Ob der Mensch aus der Geschichte lernt, ist, gelinde gesagt, fraglich. Wir Deutschen treten natürlich gerne an, der Welt das Gegenteil zu beweisen, und manchmal klappt's, ein andermal geht der Schuss nach hinten los. Im Fall des Kinderbuchs »Wo bitte geht's zu Gott?, fragte das kleine Ferkel« kombinieren wir beides.

Im Rechtsstaat verbietet man, erstens, kein Buch, wie problematisch sein Inhalt immer sein mag - und das hat ja auch im vorliegenden Fall niemand gefordert. Glückwunsch. Zweitens aber wurde gleich nach Erscheinen der moralische Overkill eingeleitet: Antisemitismus!, schrieen sie, und seither staunen sie, dass sich die Argumente der Streithähne stracks im intellektuellen Nirwana verlieren. Im Antrag des Bundesfamilienministeriums auf Indizierung werden - anstandshalber - alle drei Weltreligionen als Opfer der Häme erwähnt, jedoch zitiert das Ministerium ausschließlich die Angriffe auf das Judentum, um schließlich die finale Breitseite abzufeuern: »Rassenhass«, bumm! Und »antisemitische Tendenzen«, krawumm! Im Internet haben sich bereits die gegnerischen Bataillone formiert, und auch hier sind stramme Kanoniere am Werk: Der Eifer, mit dem die Kirche ihr »Monopol im Kinderzimmer« (?) verteidige, erinnere ihn an die Verfolgung der Ketzer, geifert Michael Schmidt-Salomon, der Texter des Ferkelbuchs. Ein anderer schmäht Ursula von der Leyen als »christliche Fundamentalistin«, ein Hamburger Kinder- und Jugendpsychiater greift zum Rezeptblock und verschreibt das Buch als »pädagogisch besonders wertvolles Gegengift zu religiöser Indoktrinierung«. Wer jedoch die Chance hat, einen Blick in das Ferkelbuch zu werfen, wird, wenn sich der Pulverdampf verzogen hat, erstaunt feststellen, wie ärmlich Text und Bilder geraten sind. Außer zähnefletschenden Bischöfen, Rabbis und Muftis, außer protoaufklärerischer Sperrholz-Grammatik nämlich ist dem Duo Schmidt-Salomon und Helge Nyncke (Zeichner) nichts eingefallen. Aus »ästhetischen Gründen« nicht ins Kinderzimmer lassen, empfahl die »Süddeutsche Zeitung« süffisant, und dieser Meinung darf man sich ruhigen Gewissens anschließen. Nun ist der aktuelle Fall ja nicht einfach so vom Himmel gefallen. Seit den 70er Jahren bereits grassiert die Pest, die Pest des belehrenden Kinderbuchs. Als einer der ganz frühen Kinderaufklärer brachte sich damals der TV-Talker Dietmar Schönherr in Stellung und wollte den Kleinen weismachen, die bösen Fabrikanten hätten es verboten, auf dem Rasen zu spielen, weil sie ungestört Profit machen wollten. Seither ist die kindliche Bücherwelt von Kreaturen bevölkert, die entweder doof oder gemeingefährlich sind. Nur die Kinder selbst sind nicht doof. Wenn ihre Eltern sie lassen, greifen sie ganz von allein zu moralfreien Klassikern wie »Pu der Bär« und dem »Räuber Hotzenplotz«. Dessen Pfefferpistole ist auch schon das Gefährlichste, was man sich in jungen Jahren ausmalen möchte.

Quelle: Westfalen-Blatt


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