Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Westerwelle und die FDP
Archivmeldung vom 02.04.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWenn Guido Westerwelle vom Amt des FDP-Parteivorsitzenden zurücktritt, wird ihn niemand bedauern müssen. Dazu ist der Anteil des 49-Jährigen am Absturz der Liberalen zu groß. Wer aber glaubt, dass die Probleme der Partei mit einem Wechsel auf dem Chefsessel gelöst wären, irrt. Vielleicht ist es das größte Dilemma der Liberalen überhaupt, dass der Name Westerwelle wie ein Synonym für die FDP steht - lange in guten und nun in ganz schlechten Zeiten.
Seit die FDP bei der Bundestagswahl 2009 sagenhafte 14,6 Prozent erreichte und ihren beeindruckenden Siegeszug krönte, irrlichtert Westerwelle durch die deutsche Politik. Grund dafür ist ein einziges Missverständnis: Der FDP-Chef ist nie im Amt des Außenministers angekommen. Nur für einen kurzen Moment hatte man das Gefühl, er könnte den Hebel umlegen. Das war vor fünf Wochen, als Westerwelle auf dem Tahrir-Platz in Kairo gefeiert wurde, als hätte er das ägyptische Volk höchstpersönlich von Präsident Husni Mubarak befreit. Beinahe alles davor und alles danach war ein Torso. Daran ist Westerwelle zwar nicht allein schuld. Doch als Außenminister, Vizekanzler und FDP-Chef in Personalunion trägt er die Hauptverantwortung. Die Liste der Patzer, Pannen und Peinlichkeiten ist lang: angefangen von der Steuerermäßigung für Hoteliers sowie dem ruinösen Streit mit dem Koalitionspartner CSU und vorläufig endend mit dem Schlingerkurs in der Libyenfrage und einer, gelinde gesagt, merkwürdigen neuen Allianz mit China. Westerwelle hatte sich selbst zu oft nicht im Griff - wie seine Einlassung von der spätrömischen Dekadenz bewies. Und er hat seine Partei zunehmend aus dem Blick verloren. Gegen jeden Sachverstand ließ er viel zu lange am Steuersenkungsmantra festhalten. So musste der Eindruck entstehen, dass die FDP gar kein anderes Thema mehr kenne. Als selbsternannter Erbe des großen Hans-Dietrich Genscher hat Westerwelle wahrscheinlich schon bei der Wahl seines Ministerpostens den entscheidenden Fehler gemacht. Er ist auch ein Opfer seiner Eitelkeit. Außer Tradition sprach nichts dafür, unbedingt ins Außenministerium zu streben. Im Gegenteil: Westerwelle ist mit Leib und Seele Innenpolitiker. Auch liegt ihm die Attacke mehr als die Diplomatie. Als Außenminister hatte er sich also selbst seiner Stärken beraubt und, schlimmer noch, seine Schwächen offengelegt. Ein Superministerium aus den Ressorts Arbeit und Wirtschaft beispielsweise hätte viel besser zu seinem Profil gepasst. Er wollte es anders. Ganze 18 Monate später sieht es so aus, als müsste Westerwelle dafür nun mit der Aufgabe des Parteivorsitzes einen ersten Preis zahlen. Es ist nicht der höchste, aber es muss auch noch nicht der letzte sein. Westerwelle könnte auch als Nur-Außenminister und Vizekanzler eine Last für seine Partei bleiben. Die FDP jedenfalls befindet sich in einem denkbar schlechten Zustand. Wer immer sie demnächst führt, steht vor einer Herkulesaufgabe.
Quelle: Westfalen-Blatt