WAZ: Wichtig ist jetzt auf'm Platz
Archivmeldung vom 10.06.2010
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.06.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs wird wie immer sein: Als Top-Meldung verkünden die Nachrichtensprecher der deutschen TV-Anstalten, dass Deutschland bei der Fußball-Weltmeisterschaft gegen Australien oder wen auch immer 2:0 (oder so ähnlich) gewonnen (oder verloren) hat - und miesepetrige Zeitgenossen werden nörgeln: Gibt es nichts Wichtigeres auf der Welt?
Alles natürlich eine Definitionsfrage. Die Fußball-Legende Adi Preißler etwa hatte schon vor 50 Jahren für sich erkannt: "Wichtig ist auf'm Platz". Wie wichtig inzwischen auch Politiker den Fußball nehmen, hat sich spätestens 2006 gezeigt. Zu keinem besseren Zeitpunkt hätte die Große Koalition ihren Landsleuten ungestraft eine satte Mehrwertsteuererhöhung unterjubeln können als während des Sommermärchens, als die meisten Deutschen mit folgenschwereren Sachen wie dem drohenden Aus gegen Argentinien beschäftigt waren. Nicht auszuschließen deshalb, dass die bisher verkündeten Sparpläne der aktuellen schwarz-gelben Regierung lediglich ein Ablenkungsmanöver sind. Und die wahren Grausamkeiten erst in drei Wochen - sagen wir: zwischen dem Viertel- und Halbfinale der WM - herauskommen. Schlimm? Nur dann, wenn Löws Truppe in Südafrika vorzeitig rausfliegt. Andernfalls: Was sind soziale Kürzungen oder Steuererhöhungen gegen einen WM-Titel?
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung